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Erlebnispädagogik der Katholischen Fachhochschule (KFH)
03.04.11

Erlebnispädagogik der Katholischen Fachhochschule (KFH)

Krabbeln, robben und klettern

 

Ausgabe 14 vom 3. April 2011

Auch die Weite einer Landschaft ist eine Erfahrung wert. Studenten der Katholischen Fachhochschule Mainz in England. Fotos: privat

Sind die Teilnehmer teamfähig? Können Ängste überwunden werden? Bei so einer Aktion, die im Kurs „Erlebnispädagogik“ der Mainzer KFH in England stattfand, zeigen sich die Antworten.

Professor Andreas Büsch Foto: privat

Auch Hochseilgärten werden in der Erlebnispädagogik genutzt.

Angehende Sozialarbeiter erzählen, welche Erfahrungen sie in der Natur machen und was sie dabei für ihren Beruf lernen

Von Hanna Klein

„Dabei geht es um den Menschen, um seine Wildheit, seine Abenteuerlust und auch um sein pädagogisches Geschick“, sagt Theresa Seifen über die Erlebnispädagogik. Gemeinsam mit neun Mitstudenten ist sie eine der ersten gewesen, die die neue Zusatzqualifikation erworben hat.

Auch für Scharna Gimenez-Vergara ist die Erlebnispädagogik „eine gelungene Abwechslung zur reinen Theorie am Schreibtisch“. Für die Bachelor-Studenten an der KFH ist eine Zusatzqualifi- kationen Pflicht im Laufe ihres Studiums. Sie sollen über den Tellerrand ihres eigentlichen Studienfachs schauen.

In der Medienpädagogik bietet die Hochschule unter anderem die Erlebnispädagogik an, in der zahlreiche Kompetenzen vermittelt werden: Klettern, Bergwandern, Höhlentouren, Kanufahren und Wildwasserrafting erlernen die Teilnehmer ebenso wie Kartenund Wetterkunde und das Sichern und Bergen von Verletzten, erklärt Andreas Büsch von der KFH.

Interessierte Studenten müssen jedoch einige Vorraussetzungen mitbringen. „Das ist keine fröhliche Urlaubsfahrt“, betont Büsch. Neben körperlicher Fitness müssen sie im Laufe des Kurses eine Erste-Hilfe- und eine Rettungsschwimmer- Ausbildung nachweisen. Doch auch eine entsprechende Motivation ist wichtig, um den Kurs meistern zu können.

„Die Enge, Dunkelheit und Ruhe waren fantastisch“

Scharna Gimenez-Vergara hatte bereits Erfahrungen sammeln können. Seit etwa zehn Jahren betreut sie ehrenamtlich erlebnispädagogische Freizeiten für das Jugendamt des Rheingau-Taunus- Kreises. Die fachliche Ausbildung hat ihr bisher allerdings gefehlt, sodass sie sich von dem Angebot an der KFH sofort angesprochen fühlte.

Auch Theresa Seifen wusste nach der Vorstellung des Konzepts sofort, dass dies ihre Zusatzqualifikation sein soll. „Abenteuer, Natursport, Wildnis und Action auf pädagogischem Fundament, etwas Interessanteres konnte ich mir nicht vorstellen“, sagt die Studentin. Sie findet es ebenfalls wichtig, dass die Teilnehmer einen persönlichen Bezug zur Natur und natursportlichen Erfahrungen haben.

Die Kurse für die Zusatzqualifikation finden in drei Blockwochen jeweils in der vorlesungsfreien Zeit statt, da die Gruppe der Teilnehmer teils weite Reisen machen muss. So ist der Jahrgang, zu dem auch Scharna und Theresa gehören, in seiner ersten Kurswoche ins englisch-schottische Grenzgebiet zum Klettern und Raften gefahren.

Die zweite Woche haben die Studenten in Frankreich verbracht, um sich unter anderem am Ghyll Scrambling auszuprobieren, bei dem die Gruppe gemeinsam über einen Wildwasserbach klettert. Ihre letzte Kurswoche hat sie dann in einen Hochseilgarten in Dormagen geführt.

Bei den vielen Aktivitäten, die den Studenten die Bandbreite an Möglichkeiten deutlich machen soll, sind einige den Studenten allerdings ganz besonders in Erinnerung geblieben. So konnte sich Scharna vorab nur wenig unter den Höhlentouren vorstellen. „Die Wirkung von Höhlen auf das Empfinden, die Enge, die Dunkelheit und vor allem die Ruhe waren fantastisch und einmalig“, beschreibt sie ihre Erfahrungen.

Theresa teilt die Eindrücke: „Totale Dunkelheit und Stille, das Verlassen auf Sinne, die außerhalb der Höhle anders reagieren. Man kann nur krabbeln, robben und klettern, bis es langsam wieder heller wird.“

Im Anschluss an diese Erfahrungen warten eine theoretische und eine praktische Abschlussprüfung. Absolvieren die Teilnehmer die Prüfung erfolgreich, erhalten sie einen Co-Trainerschein für die Erlebnispädagogik, den sie später dann mit einem weiteren Kurs zu einem eigenen Trainerschein aufstocken können.

„Ich habe gelernt, präziser und genauer zu werden“

„Auch wenn es das Ziel ist, die Erlaubnis zu haben, erlebnispädagogische Aktionen anzuleiten, so durchlief man ja auch persönlich sämtliche Prozesse des Erlebens und Wahrnehmens“, sagt Theresa. Konfrontiert mit ihren persönlichen Stärken, Schwächen und auf der Suche nach den besten Handlungsstrategien hat sie selbst die Auswirkungen der Erlebnispädagogik gespürt. „Formal ist es eben nur eine Zusatzqualifikation“, sagt Büsch. „Aber für die einzelnen Teilnehmer ist es noch mehr.“ Scharna haben die Erlebnisse gezeigt, dass sie ihre eigenen Ziele immer wieder neu stecken und definieren muss. „Ich habe gelernt, präziser und genauer zu werden, mein Handeln zu prüfen, denn davon könnte ja Leben abhängen.“

Lehren, das Leben in jeder Lage genießen zu können

Andreas Büsch möchte das Angebot der Erlebnispädagogik zukünftig sogar noch ausweiten. Mittlerweile dürfen sich auch ehemalige Studenten der KFH sowie Teilnehmer des Kooperationspartners (siehe „Zur Sache“) für die Zusatzqualifikation bewerben. „Ich halte es für notwendig, dass sich Sozialarbeiter und Sozialpädagogen auch in kreativen Bereichen weiterbilden“, sagt Scharna. Die praktische Arbeit liege außerdem nicht nur darin, Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten, sondern auch zu lehren, das Leben in jeder Lage zu genießen.

Kontakt: KFH Mainz, Hochschule für Soziale Arbeit, Praktische Theologie sowie Gesundheit und Pflege, Saarstraße 3, 55122 Mainz, Telefon 0 61 31 / 28 94 40, Internet: www.kfh-mainz.de

Nachgefragt

Menschen können sich nicht benehmen wie die Axt im Wald“

Professor Andreas Büsch erklärt, welchen Sinn Erlebnispädagogik hat

Wandern, Klettern, Kanufahren – warum werden Kenntnisse, wie man sich in der Wildnis bewegt, an einer Katholischen Fachhochschule vermittelt? Professor Andreas Büsch, der die Erlebnispädagogik betreut, antwortet:

Warum gibt es die Zusatzqualifikation an der KFH?

Büsch: Das hat mehrere Gründe. Es bestand eine hohe Nachfrage seitens der Studenten. Zudem gibt es bereits eine breite Tradition der „Outward-Bound-Pädagogik“ in der Sozialen Arbeit. Das bedeutet frei übersetzt das Erleben von Natur, dem man sich aussetzt, verbunden mit der Reflektion dieser Erlebnisse. Diese Form der Pädagogik, die in der Reformpädagogik wurzelt, ist Bestandteil eines ganzheitlichen Bildungskonzepts. Erlebnispädagogik wird auch in der kirchlichen Jugendarbeit genutzt. Ich weiß zum Beispiel von Mitarbeitern eines Bischöflichen Jugendamts einer deutschen Diözese, die eine Fortbildung im Klettergarten gemacht haben. Die Katholische Fachhochschule Mainz ist in der Medienpädagogik gut aufgestellt, wobei zusätzliche Qualifikationen im Studium eine wichtige Rolle spielen. Noch ein Grund, warum wir bestrebt sind, dass sich Studenten hier zusätzlich qualifizieren können.

Was hat das Ganze mit „Medien“ zu tun?

Hier geht es um ein erweitertes Verständnis von Medien und zwar um das philosophische. Ein Medium – damit ist nicht nur Zeitung, Fernsehen oder das Internet gemeint, sondern alles, was Sinn vermittelt. Auch bei Sport und Spiel in der Natur erfahren sich Menschen.

Was lernen angehende Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen beim Erleben draußen für ihre spätere Arbeit?

In der Jugendhilfe zum Beispiel ist die Erlebnispädagogik ein Instrument, damit Jugendliche Regeln lernen. Treffend finde ich den in der Erlebnispädagogik geprägten Satz „Der Berg spricht für sich selbst“. In der Natur müssen sich Menschen anders verhalten als in der Zivilisation. Sie sind ein Stück weit ungeschützt und können sich nicht benehmen wie die Axt im Wald. Draußen wird schnell klar, wo die Grenzen sind. Handeln führt hier nachvollziehbar zu Konsequenzen. Das ist selbst spielerisch wirkungsvoll. Ein Beispiel: Eine Gruppe Jugendlicher soll auf einem fiktiven See einen Schatz erreichen, ohne dabei das Wasser zu berühren. Mit Seilen versuchen sie, über den „Säuresee“ zu kommen, in den sie nicht hineinfallen dürfen. Das hat bei ihnen Kräfte und Kreativität freigesetzt. Auch ist es eine interessante Erfahrung, sich von einer Person, die halb so groß ist wie man selbst, von einem Turm abseilen zu lassen. Das erfordert Vertrauen. Relativ schnell ergeben sich existenzielle Erfahrungen. Religiöse Deutungen sind nicht primär angestrebt, aber das Thema ist offen dafür. Die Schnittstellen zu religiösen Interpretationen sind vorhanden und werden für Menschen, die diesen Zugang haben, schnell deutlich.

Gespräch: Anja Weiffen

Zur Sache

Angebot ergänzt das Studium

Die Erlebnispädagogik hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer etablierten sozialpädagogischen Methode entwickelt und findet in immer mehr Feldern der Kinder- und Jugendhilfe ihren Platz. Daher hat die Katholische Fachhochschule Mainz für die Erlebnispädagogik ein studienergänzendes Angebot im Bereich der Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft geschaffen. Kooperationspartner ist der Bundesverband katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen (BVkE) und das Jugendhilfezentrum Raphaelshaus in Dormagen. Die Fachtrainer beziehungsweise Lehrbeauftragten kommen von diesen Organisationen. (pm)

Kommentar

Schlagworte werden eingelöst

Alles begann in einem Hochseilgarten – mit einem Sprung in neun Meter Tiefe. Obwohl ich wusste, dass ich gut gesichert war, überraschte mich mein eigener Schrei, als ich fiel. Eine Grenzerfahrung, die mich geprägt hat und der weitere folgten. Ich wollte es wissen: Wer bin ich wirklich? Beim Bergsport lernte ich, mich einschätzen zu können, Panik zu überwinden und von anderen Menschen abhängig zu sein. Aber mehr noch: Auf dem Gipfel eines Bergs wird die Zivilisation klein. Die „Krücken“, die sich Gesellschaften basteln, werden sichtbar. Das Leben ohne doppelten Boden zeigt etwas von seinem Gesicht. Schlagworte wie Vertrauen, Freundschaft oder Gelassenheit werden hier eingelöst. Naturerfahrungen lehren Ehrfurcht, nicht zuletzt vor dem, der alles geschaffen hat.

Anja Weiffen

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