Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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„Eine Frau, mit der Sonne bekleidet und dem Mond unter ihren Füßen“
04.07.09

Die „Madonna der Palästinafahrer“ aus dem Mainzer Domkreuzgang ist als Kopie auch an der Hausfassade Liebfrauenplatz 10 / Ecke Liebfrauenstraße zu sehen. Foto: Anja Weiffen

Im Jahr 1484 kehrten Bernhard von Breidenbach, Domherr in Mainz, und Ritter Philipp von Bicken von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem zurück. Auf der Reise war ihr Begleiter, Johann von Solms, ums Leben gekommen. Als Dank, dass sie selbst wohlbehalten wieder aus Palästina heimgekehrt waren, spendeten von Breidenbach und von Bicken eine Madonna für die Liebfrauenkirche.

Die sogenannte Madonna der Palästinafahrer wurde nach der Zerstörung der Liebfrauenkirche im Jahr 1793 in den Kreuzgang des Doms überführt. Dort ist sie als 129 mal 111 Zentimeter großes Sandsteinrelief in der Wand des Ostflügels zu sehen.

Die lateinische Inschrift unter dem Relief weist auf die Dankbarkeit der Spender hin. Der Satz, der auf den Psalm 86, 17 hindeutet, lautet übersetzt: „Gib mir ein glückverheißendes Zeichen, damit sie es schamerfüllt sehen, die mich hassen: dass du mir geholfen, dass du mich getröstet hast, Himmelskönigin.“

Mit ihrer übergroßen, juwelenbesetzten Krone ist die Muttergottes im Domkreuzgang dem Madonnen-Typus der Königin zuzuordnen. Als Hausmadonnen fi nden sich verschiedene Typen von Mariendarstellungen an Mainzer Häuserfassaden, so beispielsweise die Mondsichel- Madonna, die Traubenmadonna oder die Kreuzzepter-Madonna. Die Madonna der Palästinafahrer ist unter den Mainzer Hausmadonnen die älteste Darstellung.

Neben ihrer Auszeichnung als Königin finden sich aber noch zwei andere Attribute, die auf einen anderen Madonnen-Typ hinweisen: die Mondsichel und der Strahlenkranz. Mond und Sonne, die Marienfiguren begleiten, werden in der Kunstgeschichte auf die sogenannte apokalyptische Frau zurückgeführt.

Die apokalyptische Frau erschließt

sich aus einer Passage in der Offenbarung des Johannes (Offenbarung 12, 1 bis 6). Dort heißt es im Kapitel „Die Frau und der Drache“: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie vor Schmerzen in ihren Geburtswehen.

Ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird. (...)“

In der Kunst wurde die apokalyptische Frau mit Mariendeutung im Lauf der Zeit zum eigenständigen Andachtsgegenstand und als Himmelskönigin verehrt. Mit den apokalyptischen Zeichen – Sonne, Mond und Sternen – hatte die Madonna an den Hausfassaden nicht nur eine Schutzfunktion inne, sondern drückte auch gemäß der Offenbarung des Johannes die Hoffnung aus, dass das Gute über das Böse siegen wird.

Anja Weiffen

© Annegret Burk