Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
„Sie waren keine Unbekannten“
06.02.11

„Sie waren keine Unbekannten“

Angehende Erzieherinnen lernen die Orte der NS-Judenverfolgung in Mainz kennen

 

Ausgabe 6 vom 6. Februar 2011

An den Gleisen: Von Mainz rollten die Züge mit den Deportierten zunächst nach Darmstadt. Foto: Hanna Klein

Von Hanna Klein

Die Greuel der Nationalsozialisten sind nicht irgendwo passiert, sondern vor der Haustür. Schüler sind erstaunt, welche Orte in diesem dunklen Kapitel der Mainzer Stadtgeschichte eine Rolle gespielt haben.

„Wenn diese Steine hier sprechen könnten, sie hätten einiges zu erzählen“, sagt Alfons Grobbel, Schulleiter der Elisabeth von- Thüringen-Schule, zu seinen Schülern vor dem Mainzer Goethetunnel. Es ist der 27. Januar, Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers in Auschwitz. Mit diesem „Weg des Gedenkens und der Besinnung“ wollen die Schüler an die Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern erinnern.

Bei der Vorstellung eine Gänsehaut bekommen

Der Goethetunnel ist dabei nur eine von vielen Stationen in der Mainzer Neustadt, die Grobbel mit seinen Schülern der Erzieherfachschule an diesem Morgen besucht. Bei der Vorstellung, dass die Juden damals durch diesen Tunnel gelaufen sind, bekommt die Schülerin Rebecca Glaubitz Gänsehaut. Auch ihre Mitschülerin Vanessa Berwind ist beim Gang durch den Tunnel berührt. „Wenn man sich vorstellt, da laufen vorne und hinten SS-Männer, und die Menschen laufen dem Tod entgegen“, sagt die 20-Jährige.

Bereits die erste Station des kleinen Stadtrundgangs am Donnerstagmorgen birgt Überraschungen: Kaiserstraße 31, früher die Hauptzentrale der Geheimen Staatspolizei im Dritten Reich. Die Schüler sind beeindruckt von der Geschichte eines Ortes, an dem sie jeden Tag einfach so vorbei laufen.

Ebenso überrascht sind die zukünftigen Erzieher an der Goetheschule. Die Turnhalle der heutigen Grundschule hatte einst als Sammellager für die Juden gedient, die von dort in Arbeits- und Konzentrationslager deportiert wurden. Von hier aus macht sich Grobbel mit den Schülern auf den Weg zum Güterbahnhof – auf der gleichen Strecke, die damals auch die gefangenen Mainzer Juden hinter sich brachten. Auch den Goethetunnel passieren sie auf diesem Weg.

Am Güterbahnhof erklärt Grobbel, wie die Leidensgeschichte der Gefangenen weiterging. Die Züge aus Mainz fuhren zunächst alle nach Darmstadt, damals ein Knotenpunkt der Nazi-Logistik. Nach einer weiteren Selektion ging es für sie weiter über Theresienstadt in die Konzentrationslager von Bergen-Belsen oder Auschwitz- Birkenau.

Diesen „Weg des Gedenkens und der Besinnung“ macht Grobbel, der auch im Vorstand der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sitzt, bereits seit rund zehn Jahren. Bis vor kurzem lag die Elisabeth-von-Thüringen- Schule inmitten der Mainzer Neustadt. „Mir ist wichtig, den Schülern am Standort der Schule bewusst zu machen, wo diese eigentlich liegt“, so Grobbel.

Juden in Mainz haben sich als Mainzer gefühlt

Die Schüler selbst haben auch miterlebt, wie vergangenes Jahr in ihrer Nachbarschaft die neue Mainzer Synagoge eingeweiht worden ist, viele waren selbst dabei. Auch dort bleibt die Gruppe einige Zeit stehen. Grobbel spricht von der jüdischen Tradition in Mainz und deren Verankerung im Stadtleben. „Die Juden in Mainz haben sich als Mainzer gefühlt, sie waren keine Unbekannten“, betont er.

Grobbel ist bemüht, seinen Schülern diesen Teil der deutschen und besonders der Mainzer Geschichte näher zu bringen. Nach dem Stadtrundgang gehen einige der Schüler mit ihm zur Sondersitzung des rheinland-pfälzischen Landtags, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Auch die Schüler finden diese Erinnerung an die Vergangenheit wichtig. „Für mich ist das keine Schuldzuweisung, für mich ist das einfach Teil der Geschichte“, sagt Vanessa Berwind.

Ihr Draht zu uns

Redaktion

Liebfrauenplatz 10
55116 Mainz
Tel. 06131 / 28755-0
Fax 06131 / 28755-22
Mail: info@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de