Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
Gleich ins Herz geschlossen
02.08.09

Gleich ins Herz geschlossen

Dieburger St. Rochus-Krankenhaus nimmt kranken Jungen aus Afghanistan auf

Von links: Dr. Mario Corcilius, Sayed und Dr. Thomas Basting. Im Hintergrund ist eine Röntgenaufnahme des Unterschenkels mit den „Antibiotikakügelchen“ zu sehen. Foto: Anja Burzinski

Dieburg (bu/wei). „Die Knochenmarksvereiterung hätte Sayed im schlimmsten Fall das Bein kosten können“, berichtet Dr. Thomas Basting, behandelnder Arzt im St. Rochus- Krankenhaus. In den nächsten Tagen wird der Zehnjährige wieder in seine Heimat Afghanistan zurückkehren.

Der kleine Sayed kann wieder strahlen: Es steht fest, er ist geheilt und braucht keine Antibiotika mehr. Am größten aber ist die Freude darüber, dass er nach fünf Monaten im Krankenhaus wieder nach Hause zu seiner Familie fliegen kann. Im Februar war der Zehnjährige über die Kinderhilfsorganisation „Friedensdorf International“ in Oberhausen von der afghanischen Hauptstadt Kabul nach Deutschland eingeflogen und dann vom St. Rochus-Krankenhaus zur medizinischen Behandlung seiner Knochenentzündung aufgenommen worden.

Während der letzten Monate ist Sayed zu einem festen Bestandteil der Station D1 geworden. „Der Junge hat auf der Station quasi eine Familie gehabt“, betont Thomas Basting. Liebevoll habe sich das Pflegepersonal der Chirurgischen Abteilung um seinen „Besucher“ gekümmert, darunter ganz besonders die Stationshilfe Monika Krämer. „Da haben sich zwei von Anfang an ins Herz geschlossen“, berichten die Krankenschwestern.

„Gegen Keime vorzugehen, ist immer Geduldsspiel“

Sayed ist bereits das vierte Kind aus einem Kriegsgebiet, das im Dieburger Krankenhaus kostenlos aufgenommen wird. In jedem Jahr verzichtet das gesamte Pflegepersonal auf Weihnachtspräsente und die Ärzte auf die Erstattung der Kosten für die Versorgung des jeweiligen Kindes. Wie im vergangenen Jahr bei der kleinen Berishna galt es auch bei Sayed, eine Knochenentzündung zu behandeln. Etliche Eingriffe musste Sayed überstehen: Acht Mal wurde er allein zur Behandlung seiner Entzündung von den Chirurgen Mario Corcilius und Thomas Basting operiert.

Ausgelöst durch einen Sturz auf einen Stein rund ein Jahr zuvor, waren Knochenmark und Knochen am Unterschenkel mit Bakterien infiziert. „Durch die schlechten hygienischen Verhältnisse in diesen Ländern können sich Wunden bis zu Vereiterungen im Knochenmark ausweiten“, erklärt Basting und fügt hinzu: „Darüber hinaus ist dort kein Antibiotika verfügbar, das den Entzündungsprozess stoppen könnte.“

Die Therapie einer chronischen Knochenentzündung setzt sich aus mehreren operativen Eingriffen zusammen. Zunächst werden das entzündliche Knochengewebe und das darin enthaltene Knochenmark entfernt. Im Anschluss werden „Antibiotikaketten“ – an einem Metallfaden aufgereihte Kügelchen, die mit hoch dosiertem Antibiotikum versetzt sind – eingelegt. Nach sieben bis zehn Tagen müssen diese entfernt und mehrmals erneuert werden.

„Medizin, die gegen Keime vorgeht, ist immer ein Geduldsspiel für Patient und Arzt“, erklärt Basting. Nach der Beruhigung der Entzündung schließt sich der sogenannte Knochendefektaufbau an. Dabei wird Knochenmark meist aus dem Beckenkamm entnommen, um es an der defekten Stelle aufzufüllen.

„Beste Deutschlehrerin für afghanische Kinder“

Auch bei Sayed waren einige Gaben von Antibiotika notwendig, bis sich in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) in Frankfurt erste Erfolge einstellten. Weitere Komplikationen, die unter anderem eine Folge der allgemeinen Abwehrschwäche waren, machten zusätzliche Aufenthalte in anderen Kliniken notwendig. Dank des engen Kontakts zur Johanniter Unfallhilfe konnten die Transporte des Jungen zwischen den Kliniken kurzfristig organisiert werden. Die Johanniter hatten sich sofort bereit erklärt, die Fahrten kostenlos zu übernehmen.

Ebenfalls außergewöhnliches Engagement zeigte die Stationshilfe Monika Krämer – über den medizinischen Bereich hinaus – als „beste Deutschlehrerin für afghanische Kinder“, wie Thomas Basting schmunzelnd feststellte. „Der Junge hat kein Wort Deutsch gesprochen“, berichtet der Arzt. Am Ende seines Aufenthalts habe er sich gut verständigen können. Lieblingsthema der Stationshilfe und des afghanischen Jungen: die neuesten Fotos, die Sayed auf der Station, bei der Besichtigung des Rettungswagens und bei kleinen Ausflügen mit seiner „Gastfamilie“ gemacht hat. Vom ersten Tag an sorgte Familie Wieschen in Absprache mit dem Betreuer des Friedensdorfes dafür, dass Sayed familiären Anschluss hatte. Fast täglich gab es Besuche von den beiden Töchtern, die mit ihm spielten oder Eis essen gingen.

Das Friedensdorf in Oberhausen wird Sayed bald verlassen können. Ein Platz im Flugzeug, nach Afghanistan ist bereits gebucht.

Zur Sache

Friedensdorf hilft Kriegskindern

Seit 1967 hilft das Friedensdorf kInternational Kindern weltweit in Kriegs- und Krisengebieten. Da in deren Heimatländern die Möglichkeiten für die medizinische Behandlung fehlen, organisiert die Hilfsorganisation mehrmals im Jahr Charterflüge. Dann vermittelt es die kleinen Patienten in europäische Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, wo sie kostenlos versorgt werden. Ist die Behandlung abgeschlossen, werden die Kinder im Friedensdorf in Oberhausen auf die Heimreise vorbereitet. Bis zu 150 Kinder aus etwa zehn Nationen sind durchschnittlich im Friedensdorf untergebracht, weitere 300 werden zeitgleich in medizinischen Einrichtungen betreut. So können jährlich 1000 Kinder betreut werden, die in ihrer Heimat keine Chance auf Behandlung haben. Finanziert wird die Hilfe aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Aus Sicherheitsgründen achtet die Organisation sehr darauf, dass die Kinder während ihres stationären Aufenthaltes weitestgehend von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden und organisiert erfahrene Betreuungsfamilien vor Ort. (bu)

Ihr Draht zu uns

Redaktion

Liebfrauenplatz 10
55116 Mainz
Tel. 06131 / 28755-0
Fax 06131 / 28755-22
Mail: info@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de