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In der Diaspora ein Netzwerk geschaffen
10.04.11

In der Diaspora ein Netzwerk geschaffen

Die katholische Kirchengemeinde St. Josef besteht seit 100 Jahren – ein Porträt

 

Ausgabe 15 vom 10. April 2011

Der neugotische Taufstein erhielt vor zwei Jahren einen neuen Deckel, der die Taufe Jesu im Jordan zeigt. Er wurde vom Koblenzer Künstler Josef Welling entworfen und gegossen. Fotos: Daniela Tratschitt

Von links: Pfarrer Martin Berker, Ilse Neuberger vom Elisabethenverein, Richard Seredzun, Ehrenamtlicher in der Erwachsenenbildung, Agnes Knieling, Vorsitzende der Kolpingsfamilie, Gemeindereferentin Petra Bastian, Hubert Brand, stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats, Friedrich Probst, ehemaliger Vorsitzender der Kolpingsfamilie.

Von Daniela Tratschitt

Jung, dynamisch, attraktiv – die perfekte Kombination. Menschen, die 100 Jahre alt sind, gelten nicht als jung. Für eine Pfarrei ist das jedoch kein Alter. St. Josef in Neu-Isenburg ist ein Jungspund unter den katholischen Gemeinden und hat trotzdem schon zwei „Kinder“.

Die Kirche liegt eingebettet in einem Wohnviertel von Neu-Isenburg. Man könnte fast glauben, dass hier schon immer eine katholische Kirche stand. Immerhin stehen rechts und links kleine Häuser, die sich um die Kirche gruppieren. Und genauso wie diese Kirche ins „Dorf“ gehört, gehört auch die dazugehörige Gemeinde zu den Menschen. „Früher hatte man einen schwierigeren Stand in der Diasporasituation“, erinnert sich Hubert Brand, stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrats. „Heute ist das anders.“ Das mag daran liegen, dass die Gemeinde St. Josef sehr aktiv ist.

Absprachen zwischen Haupt- und Ehrenamt

In der Festschrift zur 100-Jahr-Feier nimmt das Gemeinde-ABC zwei Seiten ein – von der Gruppe „Ältere Gemeinde“ bis hin zu dem Aufgabenbereich der Zivildienstleistenden ist hier einiges aufgezählt. „St. Josef ist eine auf Vereinen gewachsene Pfarrei.“ Die drei Stützpfeiler beim Aufbau der Gemeinde St. Josef sind immer noch sehr aktiv. Der Kirchenchor St. Cäcilia, der Elisabethenverein und die Kolpingsfamilie Neu-Isenburg Zentral haben viel dafür getan, aus der kleinen katholischen Gemeinschaft eine starke Gemeinde wachsen zu lassen. Der Chor feiert in diesem Jahr seinen 130. Geburtstag und gehört selbstverständlich zum kulturellen Leben der Stadt. Der Elisabethenverein war schon immer auf dem sozialen Sektor der Gemeinde zuhause. Wo man früher allerdings noch Kommunionkleidchen für die weniger betuchten Gemeindemitglieder genäht hat, kümmert man sich heute mehr um die geistigen und emotionalen Bedürfnisse der Menschen.

Viele Facetten des ehrenamtlichen Engagements gibt es in der 1928 gegründeten Kolpingsfamilie. Vom umfangreichen Vortragsprogramm über Radtouren bis hin zum Lektorendienst sind die 90 Mitglieder des Vereins in allen Bereichen des Gemeindelebens zu finden. „Manche haben natürlich auch mehrere Aufgaben. Anders ist das hohe Maß an ehrenamtlicher Arbeit, die benötigt wird, oft gar nicht zu leisten“, erklärt Agnes Knieling, Vorsitzende der Kolpingsfamilie und Wohngebietsbeauftragte der Gemeinde. „Allerdings braucht es dafür auch eine gute Kommunikation zwischen Haupt-und Ehrenamtlichen“, sagt Pfarrer Martin Berker, der seit 2009 in der Gemeinde ist und seitdem als Mittler zwischen den einzelnen Gruppen fungiert. Denn gerade beim Ehrenamt hat sich in den letzten Jahrzehnten viel geändert.

„Wir sind von Jugend an in der Pfarrei. Die Kirche war für uns eine Art Heimat“, erinnert sich Hubert Brand. Richard Seredzun, Mitglied des ersten Pfarrgemeinderats von 1968, weiß, dass es schwierig ist, heutzutage noch Langzeitehrenamtliche zu finden. „Die meisten Helfer bekommt man als Projekt-Ehrenamtler. Von Zeit zu Zeit bleibt da natürlich einer hängen, aber die Anzahl der Menschen, die immer und für alles zur Verfügung stehen, verringert sich.“

„Schwierig, Generation 25+ zu binden“

Daher ist die intensive Familienarbeit so wichtig geworden. Gemeindereferentin Petra Bastian organisiert und leitet viele der „familiengerechten“ Aktivitäten. Gerade der Familienkreis, die Kinderkirche oder der Familiengottesdienstkreis sorgen dafür, dass frisches Blut in den Kreis der Ehrenamtlichen fließt. Eine besondere Stellung im Gemeindeleben haben die beiden Kindergärten: die Kita St. Josef und die Kindertageseinrichtung St. Franziskus. Die insgesamt 210 Kinder sind ein lebendiger Teil der Gemeinde, und einige Eltern sind auch ehrenamtlich tätig.

Doch eine einzelne Gemeinde kann heute nicht mehr das leisten, was vor einigen Jahrzenten noch gang und gäbe war. Selbst wenn man so viel engagierte Menschen in den eigenen Reihen hat. „Es ist schwierig, die Generation 25+ an die Kirche zu binden“, erklärt Pfarrer Berker. „Die Kooperation in der Ökumene ist hier in der Diaspora wichtig.“ So ist eines der Prestigeobjekte die Lebensmitteltafel „Speisekammer St. Josef“, eine Aktion der katholischen und evangelischen Christen.

Angestrebt: Gemeindeleben mit Filialkirchen

Aber nicht nur von der evangelischen Seite kommt Verstärkung. Immerhin hat St. Josef zwei „Kinder“: St. Franziskus in einem neueren Wohngebiet etwa 900 Meter entfernt und St. Nikolaus in Zeppelinheim fast neun Kilometer weit weg. „Wir in St. Josef sind die traditionsgewachsene Pfarrei. Die Filialkirchen organisieren sich in ihren Gemeindekreisen, die fest zu uns gehören“, sagt Berker. „Wir haben einen Pfarrgemeinderat, einen Verwaltungsrat und wir alle versuchen, ein gemeinsames Gemeindeleben zu praktizieren.“ Eine besondere Veranstaltung findet seit einem Jahr am Ostermontag statt. Friedrich Probst, eines der langjährigsten Gemeindemitglieder, erzählt: „Wenn die Menschen aus der Pfarrei St. Josef singend und betend durch den Wald nach Zeppelinheim pilgern, dann sind alle mit dabei.“

Drei Fragen an…

„Das sind einfach zu viele Sitzungen“

…Stefan Niedfeld (43), Pfarrgemeinderatsvorsitzender St. Josef, Neu-Isenburg

Stefan Niedfeld Foto: Daniela Tratschitt

Frage: Wie ist es, einem Pfarrgemeinderat vorzusitzen, der gleich für drei „Gemeinden“ zuständig ist?

Niedfeld: Schwierig und spannend. Ich lebe nämlich nicht direkt in der Stadt Neu-Isenburg in der Nähe der großen Gemeinde St. Josef, sondern sozusagen außerhalb im Ortsteil Zeppelinheim mit der entsprechend etwa zehnmal kleineren Filialgemeinde St. Nikolaus.

Der Austausch mit dem Pfarrer und den anderen Pfarrgemeinderatsmitgliedern findet neben den üblichen Pflichtveranstaltungen im Wesentlichen über Mobiltelefon und e-Mail statt. Mit dem normalen Kirchgänger von St. Josef komme ich eigentlich nur bei großen Veranstaltungen in Kontakt. Meine Präsenz wird nicht nur im Pfarrgemeinderat und Verwaltungsrat von St. Josef, sondern auch im Gemeindekreis von St. Nikolaus, im Seelsorgerat des Pfarreienverbundes und in Dekanatsversammlungen erwartet. Das sind einfach zu viele Sitzungen. Insgesamt ist es nicht leicht, die Interessen der Filialkirchen St. Franziskus und St. Nikolaus mit denen der großen Gemeinde St. Josef, dem Pfarreienverbund Neu-Isenburg und dem Dekanat Dreieich unter einen Hut zu bringen.

Worin liegt die Stärke dieser großen Gemeinde?

Viele der Gruppen und Kreise organisieren sich sehr gut selbst. Das ist das Schöne. Und natürlich, dass es immer wieder Menschen gibt, die auch ohne offizielles Amt trotzdem immer da sind; gerade auch für mich, wenn ich Unterstützung brauche. Nur so kann ich überhaupt mein Ehrenamt neben dem Beruf ausüben.

Wohin entwickelt sich St. Josef in den nächsten Jahren?

Der Pfarreienverbund Neu-Isenburg ist in der jetzigen Form wohl kaum eine lebensfähige Dauerlösung. Ich sehe ihn als eine zeitlich befristete Klammerorganisation für den Übergang. Die Frage ist also nicht nur auf die drei Kirchen von St. Josef zu beschränken, sondern auch auf St. Christoph in Gravenbruch und auf Hl. Kreuz im Stadtgebiet von Neu-Isenburg zu erweitern. Meine Einschätzung ist die, dass die drei Stadtkirchen in Neu-Isenburg, die ohnehin räumlich sehr nahe beieinander liegen, organisatorisch enger zusammenrücken. Eine starke, gut organisierte katholische Einheit im Herzen von Neu-Isenburg scheint mir wichtig. Ob dies freiwillig geschehen wird oder es eines Anstoßes aus Mainz bedarf, sei dahingestellt. Ein weiteres Zusammenrücken ist auch für das Ehrenamt nötig. Viele haben heute schon mehr als nur eine oder zwei Funktionen innerhalb und außerhalb der Kirchen von Neu-Isenburg inne – und es werden immer weniger Personen, die all die Aufgaben übernehmen können. Auch wenn es viele anders sehen: Aus meiner Sicht erfordert eine tragfähige Struktur für Neu-Isenburg nur eine große Stadtgemeinde mit zwei Filialgemeinden in den räumlich getrennten Stadtteilen Zeppelinheim und Gravenbruch. Kirche muss vor Ort erlebbar sein.

Interview: Daniela Tratschitt

Zur Sache

Hingucker aus den 60er Jahren

Am 19.März 1911 wurde für die St. Josefskirche der Grundstein gelegt. Durch den Neubau sollte die kleine Kapelle ersetzt werden, die 1876 durch Bischof Ketteler eingeweiht wurde. Am 23. Oktober 1911 wurde in der mehrheitlich protestantischen Stadt mit St. Josef die erste katholische Kirche Neu-Isenburgs eingeweiht.

Das Gelände um die Kirche wurde nach und nach erweitert, so dass man heute viel Platz für die Kinder der Kita und zum Feiern hat. Insgesamt vier Mal wurden Grundstücke dazugekauft. Ein Hingucker ist das in den späten 1960ern erbaute Gemeindezentrum mit dem großen Gemeindesaal. Hier kann man groß feiern, und das erwirtschaftete Geld fließt in die Gemeindekasse. (ela)

Der Gemeindesaal (oben) und die Kita (unten) von außen

Stichwort

Stil der Kirche: Eklektizismus

Der Stil, in dem die Kirche erbaut wurde, nennt sich Eklektizismus, eine Spätform des Historismus. An sich ist diese Stilrichtung eine Kombination aus den verschiedensten Stilen und Epochen, Hauptsache, es sah gut aus. In St. Josef findet man vieles, was der neoromantischen Formsprache entspricht, allerdings sind auch byzantinische Einflüsse deutlich erkennbar – von der Apsiskuppel über die Arkadenbögen bis hin zur Farbgestaltung. (ela)

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