Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Stumme Zeuge in luftiger Höhe
05.05.09

Fotos: Bernd Schermuly / www.sensum.de

Auf den ersten Blick sind sie nur schwer auszumachen – die Wasserspeier am Mainzer Dom. In luftiger Höhe blicken sie stumm auf die Mainzer Altstadt herab.

Die Bischofsweihe von Wilhelm Emmanuel Ketteler am 27. Juli 1850 haben sie genauso bezeugt wie den Besuch von Papst Johannes Paul II. am 16. November 1980 in Mainz – stoisch ohne eine Miene zu verziehen. Gemeint sind die Wasserspeier, die dem aufmerksamen Betrachter am westlichen Vierungsturm in metallener und am östlichen Turm in steinerner Form begegnen.

Am Mainzer Dom sind die hunde- und löwenartigen Wesen, die ursprünglich die Funktion hatten, Regenwasser in hohem Bogen abzuleiten, damit es nicht die Kirchenfassade hinunterläuft, eine relativ junge Erscheinung. So sind die löwenartigen Wasserspeier wahrscheinlich während der Neugestaltung des Ostturms im 19. Jahrhundert angebracht worden.

Nur unwesentlich älter sind die kupfernen Fabelwesen am westlichen Vierungsturm. Dessen oberer Teil war nach dem verheerenden Brand von 1667 von Franz Ignaz Michael Neumann, dem Sohn des berühmten Barock-Architekten Balthasar Neumann, wiederaufgebaut worden. Damit erhielt das in seinen Grundmauern romanische und gotische Gotteshaus eine barocke Haube, samt Wasserspeier, die Neumann als eine Reminiszenz an die berühmten gotischen Kathedralen wie die im französischen Laon errichten ließ.

Mit den furchterregenden Teufelsfratzen der gotischen Gotteshäuser haben die Fabelwesen am Mainzer Dom allerdings wenig gemein. Die grotesken Fratzen an den gotischen Kathedralen sollten vor Naturgewalten und Dämonen schützen. Mit dem abfließenden Wasser sollte gleichsam auch alles Übel weggespült werden.

Neumanns Zeitgenossen hatten mit dergleichen Symbolik wenig im Sinn. Für sie waren die Wasserspeier wenig mehr als eine „barocke Spielerei“. Immerhin, so gibt Dr. Hans-Jürgen Kotzur, Leiter des Bischöflichen Dom und Diözesanmuseums, zu bedenken, haben sich die Baumeister streng an die bereits vorhandenen Motive – wie etwa die Löwenfiguren – gehalten.

An jedem Eck der achteckigen Türme ist ein Wasserspeier angebracht. Die Funktion, das Regenwasser von der Kirchenfassade fernzuhalten, haben die hunde- und löwenartigen Wesen verloren, ihren Stolz, stumme Zeugen der Geschichte zu sein, haben sie indes behalten. (ond)

© Annegret Burk