Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Das Geheimnis des Löwen
05.05.09

Foto: Paavo Ondreka

Woher kannten die Steinmetze des Mittelalters die Gestalt exotischer Tiere? Beispielsweise die eines Löwen, der als Portal- Skulptur mehrfach am Mainzer Dom zu finden ist? Eine Antwort auf diese Frage könnte die in Stein gemeißelte Skizze eines Löwen geben, die der aufmerksame Betrachter im Mainzer Dom in der nördlichen Durchgangshalle im Ostchor findet: In einem Beitrag der Frankfurter Zeitung vom 7. Juli 1903 schreibt der kunstbewanderte Autor, dass den Baumeistern die wirkliche Erscheinung des Löwen aus der Naturanschauung völlig fremd gewesen sei. Vielmehr seien in jener Frühzeit Bildwirkereien die Quellen gewesen, „wie sie auf den reichen Seidenstoffen des Orients durch den Levante-Handel vermittelt wurden“. Solche tiergeschmückten Seidenstoffe wurden damals für kirchliche Gewänder verwendet und dienten als Reliquien- Hüllen, Behänge, Decken und Kissen, heißt es in dem Zeitungsartikel.

Die gemeißelte Löwen- Skizze im Mainzer Dom decke sich mit jenem Typus der Bildweberei. „Der Rachen zeigt die heraushängende Zunge, die Mähne ist in kurzen, gedrehten Locken vom Nacken herabhängend, die Brust weit vorgetrieben: Die Darstellungsweise durchaus der Vorstellung und den Gebilden der romanischen Kunstweise entsprechend.“

Die Ausführung dieser Skizze findet sich in zwei Löwen am Südportal wieder, die mit ihren Tatzen das Haupt eines niedergebeugten Widders fassen. (Quelle: Kunstwissenschaftliche Studien. Gesammelte Aufsätze von Friedrich Schneider)

Anja Weiffen

© Annegret Burk