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„Wir helfen, wo wir können“
20.12.09

„Wir helfen, wo wir können“

Zwei Wohnsitzlose helfen bei der Renovierung der Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Schule in Mainz

Echte Männerfreundschaft: Stanislav Padlikowski und Robert Bialajczuk (von links) packen in der Ketteler- Schule gemeinsam mit an. Auch privat sind die beiden gute Freunde.

Schüler der Ketteler-Schule überreichen einem kranken Bewohner des Thaddäusheims selbstgebackene Plätzchen. Fotos: Julia Jendrsczok

Von Julia Jendrsczok

Mainz. Tische schleppen, vom fünften Stock in den Keller und zurück. „Wenn man gemeinsam schwere Möbel hebt, muss man sich aufeinander verlassen können“, sagt Robert Bialajczuk. „Eine falsche Bewegung kann ins Auge gehen“, bestätigt Stanislav Padlikowski. Zum Glück sind die beiden ein eingespieltes Team.

Bialajczuk und Padlikowski arbeiten gern für die Ketteler-Schule. Sie tragen Bücherregale bis unter das Dach, säubern sie und streichen sie an. „Wenn irgendwo Hilfe gebraucht wird, sind wir da“, sagt Bialajczuk.

Es ist nicht lange her, da wollte Padlikowski keinen Menschen mehr sehen. Er hatte sich in den Wald zurückgezogen und ernährte sich von Beeren und Birkenrinde. Nur nachts wagte er sich in die Stadt und suchte in Mülltonnen nach Essbarem. Der 45-Jährige baute sich einen Unterschlupf aus Laub, wollte am liebsten nicht gesehen werden. Er wurde krank, litt an Mangelernährung und bekam Tuberkulose.

Schwester Maria-Theresia nimmt Kontakt auf

Schwester Maria-Theresia Laux vom Orden der Schwestern der Göttlichen Vorsehung hörte davon, dass Padlikowski im Wald lebt, und nahm Kontakt zu ihm auf. Die Ordensfrau fährt gemeinsam mit Professor Gerhard Trabert mit einem Arztmobil durch Mainz und versorgt Obdachlose medizinisch. Sie brachte Padlikowski einen wärmenden Schlafsack und behandelte ihn. „Ohne das Arztmobil wäre ich schon tot“, sagt er. Nach und nach fasste der aus Mainz-Kostheim stammende Mann Vertrauen zu Schwester Maria-Theresia und traute sich wieder unter Menschen. Jetzt haust er in einer Zeltsiedlung, in der auch Bialajczuk schläft.

Bialajczuk stammt aus Katovic in Polen. Dort hat er zwölf Jahre lang in einer Kohlegrube gearbeitet. Ein Freund schwärmte ihm von Deutschland vor und sagte, hier gebe es Arbeit für ihn. Bialajczuk kam nach Deutschland, fand keine Stelle und landete auf der Straße. Dort traf er Padlikowski. Seit zehn Jahren sind die beiden befreundet. „Robert gibt acht auf mich“, sagt Padlikowski.

Nachts plagen Padlikowski Albträume. Er war Gebirgsjäger bei der Bundeswehr und wurde in den Kosovo geschickt. „Dort sollten wir Frieden stiften. Es war die Hölle“, sagt er. Nach dem Militäreinsatz machte er eine Lehre zum Elektriker mit einem guten Abschluss. Doch dann ging die Firma pleite, er verlor seinen Job und seine Wohnung und seine Ehe ging in die Brüche.

In ihren Zelten sind die beiden nicht sicher. Oft werden sie angegriffen, besonders nachts. Randalierende Betrunkene werfen Bierflaschen auf den Zeltplatz, schlitzen die Zelte kaputt oder stehlen Schlafsäcke und andere Habseligkeiten der Wohnungslosen.

An Weihnachten werden Erinnerungen wach

Besonders schwer ist die Zeit um Weihnachten. „An Weihnachten kommen alle Emotionen hoch, da geht man sich am besten aus dem Weg“, sagt Padlikowski. Er feiert Weihnachten mit einem Teelicht, am liebsten allein. Die Erinnerungen an die Vergangenheit schmerzen, besonders die an seine Kinder. Er hat zwei Söhne, zehn und zwölf Jahre alt, aber keinen Kontakt mehr zu ihnen. Auch Bialajczuk hat einen Sohn, den er schon lange nicht mehr gesehen hat. Bialajczuk will an Weihnachten „Sitzung machen“. Das heißt: er setzt sich auf die Straße und stellt einen Hut auf. In den Jahren zuvor hat er an Heiligabend einen Freund in dessen Wohnung besucht. Der Freund ist umgezogen. Der 44-Jährige müsste ein Taxi nehmen, um zu ihm zu kommen, doch ihm fehlt das Geld.

Um den Wohnungslosen zu Weihnachten eine Freude zu bereiten, hat sich die Ketteler- Schule etwas einfallen lassen: Die Schüler der Berufsfachschule I für Hauswirtschaft und Sozialwesen haben Vanillekipferl, Kokosmakronen und andere Plätzchen gebacken. Stellvertretend für ihre Klassen bringen vier Schüler das Gebäck ins Mainzer Thaddäusheim. Schwester Maria-Theresia Laux nimmt die Plätzchen im Arztmobil mit und verteilt sie.

„Ich finde es erschreckend, dass es so viele Obdachlose gibt“, sagt Schülerin Lisa Heußlein. Die Schüler haben Bialajczuk und Padlikowski oft beim Umbau der Schule gesehen. „Ich dachte, sie gehören zu den anderen Handwerkern. Ich hätte sie nie so zugeordnet“, sagt Schüler Lukas Vor.

„Es tut gut, anderen Menschen zu helfen. Es ist einfach ein schönes Gefühl“, sagt Schülerin Alla Danilenko. So geht es auch Padlikowski und Bialajczuk. „Wo wir helfen können, helfen wir.“

Zur Sache

Wohnwagen

Die beiden Männer wünschen sich zwei Wohnwagen. „Das wäre ein erster Schritt zurück in die Gesellschaft“, sagt Padlikowski. Ein Stellplatz ist vorhanden, die Wagen brauchen keine Zulassung. Wenn Sie einen ausgedienten Wohnwagen abzugeben haben, wenden Sie sich bitte an die Ketteler-Schule:

Stephansstraße 2-6, 55116 Mainz, Telefon 06131/281551, E-Mail an Rolf Müller-Calleja: rolf-mc@gmx.net

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