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Pastoraler Marktplatz – für jeden offen 1
03.07.11

Pastoraler Marktplatz – für jeden offen 1

Wie sich die katholische Bildungsarbeit in einer Region der Diaspora entwickelt hat

 

Ausgabe 27 vom 3. Juli 2011

Katja Peichl (untere Reihe 2. von links) und Andreas Boller (untere Reihe 3. von links) mit dem Dekan, Pfarrer Ulrich Neff (untere Reihe rechts), und Pro¬fessor Dr. Linus Hauser bei der Veranstaltung „…aus vollem Herzen singen – Kirchenlieder-Glaubensschätze“. Im Hintergrund die Schola der Katholischen Hochschulgemeinde Gießen mit Regionalkantor Ralf Stiewe (obere Reihe zweiter von rechts). Fotos: Christoph Kirchhoff

Andreas Boller, Leiter des Katholischen Bildungswerks Oberhessen, ist seit dessen Anfängen in den 80ern dabei.

Katja Peichl ist ehrenamtliche Bildungsbeauftragte in Rockenberg

Pfarrer Jan Mäurer

Von Christoph Kirchhoff

Im Oktober 1981 wurde das Katholische Bildungswerk Oberhessen gegründet. Sein Leiter, der Diplom-Pädagoge Andreas Boller, hat ihm in diesen 30 Jahren unter der besonderen Spannung zwischen einer ländlich geprägten Diaspora-Region und der Nähe zum Rhein-Main-Gebiet Profil verliehen.

„Kirche steht in der Welt und hat sich mit ihr auseinanderzusetzen.“ Davon ist Andreas Boller überzeugt und beruft sich dabei auf die Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Würzburger Synode in den 70er Jahren habe die Initialzündung zur Gründung von Bildungswerken in den deutschen Bistümern gegeben.

Kontakte außerhalb der Gottesdienste

Mit der Erwachsenenbildung nehme die Kirche ihren Auftrag in der Welt ernst und könne immer wieder andere Zielgruppen erreichen. Bildungsarbeit sei eine Form missionarischer Pastoral, mit der Menschen außerhalb von Sonntagsgottesdiensten in Kontakt mit Glauben und Kirche kommen. „Erwachsenenbildung soll ein Marktplatz sein, der für jeden offen ist und auf dem alles zweck- und vorurteilsfrei diskutiert werden kann“, wünscht sich der 56-Jährige.

Neue Fragen angesichts größerer Seelsorgeeinheiten

Durchgängiges Thema seiner Arbeit in Oberhessen sei die Frage gewesen, wie sich sowohl in der ländlich geprägten Region Vogelsberg eine profilierte katholische Bildungsarbeit gestalten lässt, als auch in einer Stadt wie Gießen, als auch in der Nähe zum Rhein-Main-Ballungsraum, wo sich zudem katholische Christen in der Minderheit befinden. Als Teil der Pastoral müsse sich die Bildungsarbeit derzeit auch angesichts vergrößerter Seelsorgestrukturen neue Fragen stellen. „Welchen Stellenwert kann katholische Erwachsenenbildung einnehmen, wenn die Kirche nicht (mehr) im Dorf ist?“ Eine ökumenische Kooperation wie im Vogelsbergkreis, wo es gemeinsame Programme und Veranstaltungen der Bildungswerke gibt, sei dafür eine Lösungsmöglichkeit. „Die Gestaltung von Kirche und Gesellschaft drängt die Christen zusammen“, ist Boller überzeugt. Dabei könnten auch Meinungsverschiedenheiten zu produktiven Prozessen zwischen den Konfessionen führen. Als grundlegend für die Bildungsarbeit in Oberhessen betrachtet Andreas Boller die Orientierung an der Basis. Ehrenamtliche Bildungsbeauftragte in den Gemeinden könnten „Themen erspüren, die den Menschen auf den Nägeln brennen“. Dabei handeln die Bildungsbeauftragen in hohem Maße eigenverantwortlich und verfügen über ein eigenes Budget. So könne die Bildungsarbeit sich in den Dienst der Gemeinde stellen, etwa begleitend zur Katechese, bei der den Eltern der Sinn der Kommunion oder der Firmung neu erschlossen werde.

Hintergrund

„Das ganze Leben ist ein Lernprozess“

„Kirche hat Gutes zu bieten, und wir dürfen das auch zeigen“, ist Katja Peichl überzeugt. Sie ist ehrenamtliche Bildungsbeauftragte in Rockenberg. Wenn die richtigen Themen gesetzt würden, bestehe die Chance, die Altersgruppe zwischen 30 und 50 zu erreichen, die in den regelmäßigen Gottesdiensten der Gemeinde eher selten zu finden sind. „Über begleitende Vorträge zu den Sakramenten Kommunion und Firmung haben wir die Möglichkeit, bestimmte Gruppen hier im Dorf nochmal neu anzusprechen.“ Wichtig ist ihr, dass sie mit ihren Veranstaltungen nicht zu einer Konkurrenz zu Jugend- und Seniorenveranstaltungen wird.

Über das Jahr verteilt bietet die Pfarrgemeinde Rockenberg (1200 Katholiken) durchschnittlich fünf Abendveranstaltungen, etwa eine mystagogische Kirchenführung (erschließt die liturgische Dimension einer Kirche) oder den Infoabend zum Weltgebetstag der Frauen, einen Besinnungstag und zwei Veranstaltungsreihen: die ökumenische Reihe um den Buß- und Bettag herum und eine Reihe zur Firmkatechese. Peichl behält sich vor, immer wieder aktuelle Themen aufzugreifen. Daher organisiert sie das Programm häufig kurzfristig und sucht sich zum Thema den passenden Referenten. „Die Zeitplanung ist wichtig, um die Leute bei ihrem aktuellen Bedarf abzuholen.“ Antworten auf das, was die Menschen beschäftigt, etwa die Veranstaltungsreihe „Ethik im Alltag“ mit dem Pastoralreferenten Stephan Bedel, sei sehr gut besucht gewesen und das Thema durch den Referenten hervorragend vorgetragen worden. Das Handwerkszeug wird Katja Peichl vom Bildungswerk an die Hand gegeben, eine Liste mit Themen und dazu die passenden Referenten, die kompetent und lebensnah vortragen, dabei ihre Zuhörerschaft einbeziehen und deren Honorare bezahlbar sind.

Dauergast in Rockenberg ist etwa der Diplom-Theologe und Religionslehrer Otto Lomb aus Bad Nauheim, der im Rahmen der Firmkatechese zum Thema Okkultismus referiert. „Er kommt in der Gemeinde gut an, so dass die Ankündigung seines Namens die Leute bereits anspricht.“ Wenn er genügend Vorlaufzeit habe, bereite er auch neue Themen vor. Vordrucke für Plakate und Flyer erhält Peichl vom Bildungswerk, Presseartikel verschickt sie an die Butzbacher Zeitung. Die Honorarkosten bekommt sie vom Bildungswerk erstattet. Und wenn noch auf die Schnelle organisatorische Fragen zu klären sind, ist Andreas Boller zur Stelle.

„Das ganze Leben ist ein Lernprozess“, ist die Überzeugung der engagierten Bildungsbeauftragten. Auch sie gewinne in den Veranstaltungen immer wieder neue Einsichten. Bei den Veranstaltungen ist sie fast immer dabei, um den Referenten einzuführen und den Gesprächsverlauf zu verfolgen. Ihr liege viel daran, dass auch andere davon profitieren könnten. Daher zähle für sie nicht nur die Anzahl der Teilnehmer, sondern vor allem die Tiefe der Diskussion. „Die Leute sollen etwas mitnehmen, was ihr Leben verändert“, sagt sie. (ck)

So gesehen

In Zeiten des Umbruchs

Pfarrer Jan Mäurer, langjähriger Dekan in Gießen, hält die Bildungsarbeit der Kirche als „Verkündigung in einem anderen Frequenzbereich“ für unverzichtbar. „Entgegen einer im Sessel sitzenden Hockkultur“ biete die Bildungsarbeit der Gemeinden „eine Plattform, um miteinander ins Gespräch zu kommen“. Nicht nur die Vermittlung von Glaubenswissen, sondern das „Denk mal nach!“ sei ein ursprünglich christlicher Impuls, betont Pfarrer Jan Mäurer. Kompetenzorientiertes Lernen und kognitive Zugänge entsprechen dem christlichen Menschenbild. „Die Bibel ist ja als ein Zeitdokument geschrieben, das gleichwohl ewigen Hilfs-charakter besitzt“, sagt er. Für den Prozess der Auslegung in die jeweilige Situation hinein brauche es gebildete Menschen. Pfarrer Mäurer weiter: „Inspirierte Texte und traditionelle Begriffe müssen immer wieder neu erklärt werden, gerade auch in Zeiten des Umbruchs, in der das Christentum zu einer Religion der Minderheit wird.“ Die Bildungsarbeit gehöre zur „Martyria“, zum Zeugnisgeben der Kirche, und sei durch die Vielfalt seiner dialogischen Methoden ein zeitgemäßer Ansatz missionarischer Arbeit. Sie sei selbstverständliches Kommunikationsinstrument innerhalb christlicher Gemeinden. Zudem könne sie durch den Einsatz spezifischer Methoden auch zu anderen gesellschaftlichen Gruppen vordringen. Mancher Diskussionsabend könne die Zuhörerschaft, die sich aus Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungshorizonten zusammensetzt, besser erreichen als eine monologische Predigt. „Das Bildungsgeschehen einer Predigt, die der Liturgie dient, liegt in einem anderen Frequenzbereich.“ Innerhalb des Dienstes der Kirche müsse die Bildungsarbeit daher ihren festen Platz behalten. (ck)

Zur Sache

Für die Region

Das Katholische Bildungswerk Oberhessen ist Träger der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Mainz in den Kreisen Vogelsberg, Gießen und der Wetterau. Mitglieder sind die Gemeinden in den Dekanaten Alsfeld, Gießen, Wetterau-Ost und Wetterau-West.

Katholisches Bildungswerk Oberhessen, Nordanlage 51, 35390 Gießen, Telefon 06 41 / 7 34 71, E-Mail: post@kbw-oberhessen.de

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