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Nichts würde ich lieber machen
17.04.11

Nichts würde ich lieber machen

Ausstellung „Wegbegleiter – im Sterben“ macht auch auf Situation der Pflegeberufe aufmerksam

 

Ausgabe 16 vom 17. April 2011

Die Ausstellungsmacher Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke, Eberhard Hüser und Fotograf Werner Feldmann (von links) lesen im Besucherbuch. Foto: mbn

Von Maria Weißenberger

„Manchmal habe ich das Gefühl, in unserer Gesellschaft wird viel zu selten über den Tod und das Sterben gesprochen“, hat jemand ins Besucherbuch bei der Ausstellung „Wegbegleiter – im Sterben“ im Mainzer Dom geschrieben. Worüber man nicht spricht, das führen hier Bilder vor Augen. Bilder von Menschen auf dem Weg des Sterbens. Bilder, die sprechen. Und zum Sprechen anregen können.

„Der Tod gehört zu unserem Menschsein“, sagt Özkan Eroglu. Der 32-Jährige, der in der Fachschule für Altenpflege St. Bilhildis in Mainz die Ausbildung zur Altenpflegefachkraft absolviert, hat den Gedanken ans Sterben lange selbst verdrängt. Jetzt ist es ihm wichtig, „damit konfrontiert zu werden“. Ein Grund, warum er sein Studium der Sozialpädagogik abgebrochen und sich für die Altenpflege entschieden hat.

Eroglus Klasse hat, ebenso wie Schüler und Lehrkräfte der Sophie- Scholl-Schule, der Gesundheits- und Krankenpflegeschule des Katholischen Klinikums Mainz sowie der Universitätsmedizin, am Projekt „Wegbegleiter“ teilgenommen, das die Bistumsakademie Erbacher Hof und die Ökumenische Hans-Voshage- Hospizstiftung initiiert haben. Alle bekamen sie kleine Heftchen, in die sie ihre Gedanken notieren konnten. Aber auch Bilder, Gedichte und Geschichten sind entstanden. „Mir hat das Projekt geholfen, noch besser mit dem Thema umzugehen“, sagt Eroglu. Es sei ihm jetzt „bewusster, dass wir Leben mitgestalten, indem wir alte und sterbende Menschen begleiten“. Denn Sterben „gehört zum Leben, wie die Geburt, die ja auch Qualen bereitet“, sagt der Vater von drei Kindern. Sicher ist sich der Alewit (das Alewitentum ist ein Zweig des Islam), dass der Tod nicht das Ende ist: „Es geht weiter, das Sterben ist ein Übergang.“ Gezielt hat er die katholische Schule gewählt – weil ihm der respektvolle Umgang mit den alten Menschen wichtig ist. Eine Haltung, die er „im Bilhildis“ voraussetzen könne.

Zu wenig Anerkennung in der Öffentlichkeit

Das Projekt hat Özkan Eroglu nicht zuletzt das Gefühl gegeben, „wir kriegen Öffentlichkeit“. Nicht nur für die Themen Alter und Tod, die viele Menschen ausblenden, sondern auch für die Pflegenden: „Es gibt keine Anerkennung für unseren Beruf in der Öffentlichkeit“, sagt er. Nicht nur, aber auch die Bezahlung mache das deutlich. „Des Geldes wegen wählt keiner diesen Beruf.“ Den oft gehörten Satz „Es gibt kein Geld“ kann er nicht ohne Weiteres akzeptieren: Es sei wohl eher die Frage, wofür man es ausgeben wolle, „was uns unsere alten Menschen wert sind“. „Für Banken schmeißt man es aus dem Fenster“, meint er.

Mehr Anerkennung für die Fachkräfte in der Pflege wünscht sich auch Manuela Weisenstein. Der Mutter von zwei erwachsenen Kindern geht es ebenfalls nicht allein ums Geld.

Körperlich und seelisch anstrengend

Sie hatte in ihrer Jugend eine zweijährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin gemacht und immer, zumindest als Teilzeitkraft, in ihrem Beruf gearbeitet. „Würde der Verdienst im Vordergrund stehen, hätte ich mich nicht mit 45 noch entschlossen, eine dreijährige Ausbildung zur Altenpflegefachkraft zu beginnen“, sagt sie. „Wir brauchen viel medizinisches Wissen und Fachkompetenz“, weiß sie. Deshalb will sie sich weiter qualifizieren für die Pflege, obwohl sie mehr als zwei Jahrzehnte lang die Erfahrung gemacht hat, wie anstrengend dieser Beruf ist – körperlich und seelisch. „Aber es gibt nichts, was ich lieber machen würde.“

Ausstellung bis 1. Mai im Mainzer Dom: Montag bis Freitag 9 bis 18.30 Uhr, Samstag 9 bis 16 Uhr; Sonntag 12.45 bis 15 Uhr und 16 bis 18.30 Uhr. Katalog mit Bildern und Texten in der Dombuchhandlung, der Dominformation und im Infoladen des Bistums. Preis: 8,50 Euro

Himmlischer Lohn allein genügt nicht

Über die Zukunft der Pflege und der Pflegenden

Von Nicole Weisheit-Zenz

Zur Eröffnung der Ausstellung fand ein Podiumsgespräch zum Thema „Verantwortungsvoll. Pflege-Kraft und Pflege- Ohnmacht“ im Erbacher Hof statt. Es nahmen Vertreter aus Kirche, Politik und Medizin teil.

Es sind die kleinen Gesten, mit denen Menschen einander in den schweren Stunden des Abschiednehmens Nähe schenken: eine Hand, die eine andere hält, ein Lächeln mit letzter Kraft. Schwester Maria Gertrudis ist vertraut mit den besonderen Momenten, die Werner Feldmann eindrucksvoll auf seinen Fotos festgehalten hat.

Beruflich und ehrenamtlich in der Pflege engagiert

Viele Menschen hat sie beim Sterben begleitet. „Sehr interes Teilzeitsant“ fand die Ordensfrau der Armen Schwestern vom Heiligen Franziskus daher die Gesprächsrunde zum Engagement von Haupt- und Ehrenamtlichen, die sich wie sie liebevoll um alte und schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen kümmern.

Die gesellschaftliche Verantwortung von und für Pflegekräfte stand im Mittelpunkt der Diskussion, die Pfarrerin Annette Bassler moderierte. „Wer einen verletzlichen und vergänglichen Menschen pflegt, der tut viel mehr als sich hinter diesem Wort verbirgt“, sagte der evangelische Dekan Andreas Klodt. Auch Kardinal Karl Lehmann lobte den Elan und die Geduld von Menschen in Pflegeberufen. Er betonte, wie wichtig gute Wegbegleiter gerade für alte und kranke Menschen sind, sei es in Familie, Freundes- und Bekanntenkreis oder als Fachkräfte. Mit Blick auf die kommenden Jahre, in denen es immer mehr Ältere geben wird, müsse alles getan werden, damit die Pflegenden nicht den Mut verlieren.

Der himmlische Lohn ist nicht genug

Damit Pflegeberufe Zukunft haben, seien bessere Aufstiegschancen und eine höhere Wertschätzung gefordert, meinten alle Diskussionsteilnehmer. Zum Dank der Patienten und zum „himmlischen Lohn“ müsse eine gerechtere Bezahlung hinzukommen, betonte Ingeborg Germann vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen.

Thomas Dollmann, Pflegerischer Abteilungsleiter der Hämatologie (Diagnostik und Behandlung von Blutkrankheiten), und Professor Martin Weber von der Interdisziplinären Einrichtung für Palliativmedizin (Behandlung von Menschen mit nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Krankheiten) der Universitätsmedizin Mainz, betonten, wie wichtig gut ausgebildete Pflegekräfte und Ärzte sind, gerade was den Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen betrifft. Theorie und Praxis sollten noch besser ineinandergreifen, um geeignete Bedingungen für einen natürlicheren Umgang mit dem Sterben zu schaffen. Beim „Wegbegleiterplan“ gehe es nicht nur darum, medizinische Behandlungspfade zu entwickeln, sondern auch eine gute Atmosphäre für das Abschiednehmen zu schaffen und das komplette Netzwerk an Wegbegleitern einzubeziehen. Es sei verblüffend, was selbst am Ende des Wegs noch möglich ist und welche tiefe Menschlichkeit oft in diesen Begegnungen liege, sagte Weber. „Wenn wir lernen, die Ohnmacht auszuhalten, dann entdecken wir auch in diesen Situationen wieder eine neue Kraft.“

Zur Sache

Tagebuchnotizen

„Ein schneller Blick auf die Uhr, kurz vor halb sechs. ... Schnell in den Keller, umziehen. ... Ich bin müde und super schlecht gelaunt. Alles ging schief heute ...

Ich laufe über den dunklen Gang, an den Patientenzimmern vorbei in Richtung Schwesternzimmer. Aus dem ein oder anderen Zimmer ertönt ein leichtes Schnarchen. Ich grinse. Im Schlaf sind alle Menschen so friedlich...

Ich überfliege meinen Patientenzettel. ... Doch einer fehlt. Nein, er fehlt nicht. Herr K. liegt nur in einem anderen Zimmer. 318. Mist. „Verabschiedungs-/ Sterbezimmer“... Die Nachtschwester berichtet, dass sich sein Zustand über Nacht massiv verschlechtert hat. ... Aber als ich gestern meinen Frühdienst beendete, ging es ihm den Umständen entsprechend gut...

Herr K. liegt auf dem Rücken. Das Gesicht eingefallen und blass, der Mund offen. Der Brustkorb hebt und senkt sich, und trotz lauter verschleimter Atmung war diese ganz flach. Er sieht schrecklich aus. Ich betreute ihn die letzten drei Wochen und denke, die Verwunderung oder den Schreck, den ich empfinde, ... kann ich nicht verbergen. Wie schnell der Körper eines Menschen sich im Sterbeprozess verändert...

Seine Frau sitzt neben dem Krankenbett. ... Ich beuge mich über das Bett, nehme seine Hand und teile ihm mit sanfter Stimme mit, dass ich wie versprochen da bin. ... Er reagiert nicht. Die Augen sind offen, die Atmung ganz flach. ... Seine Frau fragt mich, ob er registriert, dass sie da ist. Ich sage ihr, dass ich davon ausgehe, dass er merkt, wenn sie seine Hand hält und mit ihm spricht. ...

Der Alarm der Patientenklingel ertönt. ... Zimmer 318. ... Frau K. sitzt immer noch auf ihrem Sessel. ... Sie wollte nur mitteilen, dass er so komisch atmet und ob wir eine Flasche Wasser für sie hätten. ...

Ich hole eine Flasche Wasser und ein Glas und gehe zu meiner Kollegin und bitte sie darum, mal nach Herrn K. zu schauen. Sie schließt sich mir an und wir betreten gemeinsam das Zimmer. Seine Frau steht am Bett. Hält seine Hand und weint. ... Meine Kollegin sucht den Puls, guckt mich an, nickt und sagt, dass er es jetzt geschafft hat. ...

Mit gesenktem Blick öffne ich die Tür zum Balkon. ... Ich halte meine Tränen nicht zurück. Es tut gut zu weinen und es berührt mich wirklich. Der Tod meines Opas schnellt in meine Erinnerung. Scheiß Tag. Agnes B., 19 Jahre

Zitiert

Loslassen lernen

„Zur ,Kunst zu sterben‘, die Menschen seit Jahrhunderten fasziniert, gehört auch, selbst auf der letzten Strecke des Lebenswegs gelassen zu bleiben und loslassen zu können im Vertrauen auf Gott.“
Kardinal Karl Lehmann

Service

Ausstellung wandert

Die Ausstellung kann gegen eine Gebühr ausgeliehen werden. Ansprechpartner für Interessierte sind: Eberhard Hüser, Vorsitzender der ökumenischen Hans Voshage-Hospizstiftung, c/o Bischöfliches Ordinariat Mainz, Telefon 0 61 31 / 25 31 62, Internet: www.hospiz-mainz.de; Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke, Bistumsakademie Erbacher Hof, Telefon 0 61 31 / 25 75 22, E-Mail: bernadette.schwarzboenneke@bistum-mainz.de

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