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„Was ich mache, ist Dialog“
08.05.11

„Was ich mache, ist Dialog“

Kardinal Karl Lehmann wird auch nach seinem 75. Geburtstag seinen „Dienst als Bischof weiter tun“

 

Ausgabe 19 vom 8. Mai 2011

Kardinal Lehmann will „gelassen“ weiter seinen Dienst als Bischof tun. Foto: Bistum Mainz / Alexander Matschak

Von Johannes Becher

Er bleibt. Kardinal Karl Lehmann wird auch nach seinem 75. Geburtstag am 16. Mai Bischof von Mainz sein. Der Papst hat ihn darum gebeten. Doch: „Der Countdown läuft“, sagt Lehmann. Spätestens mit 80 Jahren ist Schluss. „Das ist ein eisernes Gesetz!“

Der Kardinal ist „kein großer Freund von Verlängerungen“. In der Kirche gebe es keine Tradition dafür. Erst in der Amtszeit von Papst Johannes Paul II. habe sich das so entwickelt, dass Kardinäle länger im Amt bleiben. „Manche dürfen schnell gehen, andere will man schnell loswerden“, sagt Lehmann. Und weil man eben nicht wisse, wie der Papst entscheide, habe er sich auch nicht „in Spekulationen ergangen“. Er nehme die Entscheidung jetzt gelassen an. Und mache seinen Dienst als Bischof von Mainz weiter. Jetzt könne er „erst mal im selben Haus wohnen bleiben“. Doch „der Countdown läuft“. Sagt der Bischof. Denn wie lange die Verlängerung nun dauert, weiß er nicht. „Donec aliter provideatur“ – „bis auf andere Weise Vorsorge getroffen wird“, schreibt der Papst. Der Kardinal erinnert an Grenzen der Gesundheit, den Plan Gottes und an ein „eisernes Gesetz“ im Vatikan: Länger als 80 bleibt niemand im Amt. Nur der Papst.

„Soweit ich kann“, will Lehmann also weiter als Bischof wirken. Sein Dank gilt dem Generalvikar und dem Domkapitel für deren große Unterstützung. Ein besonderes Programm für die kommende Zeit als Bischof hat er nicht. Die begonnenen Aufgaben will er fortführen: die neuen pastoralen Strukturen mit Leben füllen, den notwendigen Sparprozess gestalten. Auch in der deutschen Bischofskonferenz hat er weiterhin Aufgaben, zum Beispiel als Vorsitzender der Glaubenskommission. Gremien und Räte, Dekanekonferenzen: „Da kommen viele Sitzungstage im Jahr zusammen.“ Dazu ist er zu Visitationen und Firmungen im Bistum unterwegs. Ökumenische Aufgaben bleiben. Und viele Termine in gesellschaftspolitischen Feldern: „Wo kann ich etwas erreichen für die Kirche?“ Es reize ihn, Neues anzugehen. „Unabhängig davon, ob ich amtsverlängert bin.“

Im Dialogprozess geht es nicht nur um Palaver

Und da ist noch „der sogenannte Dialogprozess“. Dazu hat Karl Lehmann eine klare Meinung: Selbstverständlich trage er das Projekt von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der Katholiken mit. Allerdings sieht er auch Grenzen: Es gehe „nicht nur um Palaver“, sondern um Entscheidungen. Es müsse aufgezeigt werden, was in der deutschen Kirche anders zu regeln sei und was Fragen seien, die nur auf Weltebene in der Kirche gelöst werden können.

Sein Verständnis vom Bischofs-amt sei von Beginn an dialogisch. „Alles, was ich mache, ist Dialog.“ Deshalb verweigere er sich keinem Gespräch. Als „stolzer Einsiedler oder Hagestolz“ könne niemand seinen Dienst als Bischof fruchtbar leisten. Lehmann erinnert an ein Jesuswort: „Bei euch aber soll es nicht so sein.“ Das klinge wie ein Trompetenstoß gegen Personenkult. Jeder Bischof müsse sich fragen, wie er mit seiner Macht umgehe und wie er sich selbst darstelle. Für ihn gehört dazu, zu bestimmten Fragen „das Echo und die Stimme von Frauen zu hören“. So habe er begonnen, „in manchen Dingen anders zu denken“.

Ein besonderes Miteinander im Geist des Konzils

Was ihn trägt? Die Aufbruchstimmung vor Beginn des Konzils. Die habe seine Generation geprägt. Auch in der Bischofskonferenz. Obwohl sehr verschiedene Charaktere zusammenarbeiteten, sei es immer gelungen, ein Mitein-ander in einem besonderen Geist zu pflegen. Konzilsgeist. Lehmann sieht aber auch, dass die neue Generation von Bischöfen anders ist. „Jede Generation hat ihre eigenen Chancen und Gefährdungen.“

Seinen Geburtstag am 16. Mai wird Karl Lehmann zunächst mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Bischöflichen Ordinariat feiern. Mit einem Gottesdienst in St. Quintin. Abends gibt es ein Festessen „mit einer kleineren Zahl von Leuten“ im Erbacher Hof. Menschen aus nah und fern können dann beim Bistumsfest am 22. Mai in Mainz nachträglich gratulieren. Auch wenn sein Geburtstag dann nicht das Hauptthema sei. „Gerufen in sein wunderbares Licht“: Der Kardinal hat diesen Vers aus dem ersten Petrusbrief als Motto für die Begegnung gewählt. Dann kann das bunte Leben der Kirche im Bistum gefeiert werden. Und es wird kein Abschiedsfest für den Bischof.

Mit der nächsten Ausgabe von „Glaube und Leben“ zum 15. Mai erscheint ein umfangreiches „Extra“ zum 75. Geburtstag und zum Bistumsfest in Mainz.

Kardinal Lehmann will „gelassen“ weiter seinen Dienst als Bischof tun. Foto: Bistum Mainz / Alexander Matschak

Nachgefragt

Er hält nicht jeden Graben gleich für einen Abgrund

Wie Ronald Givens, Pfarrer in Viernheim und Dekan im Dekanat Bergstraße-West, ging es offenbar vielen: „Hoffentlich darf unser Bischof im Amt bleiben. Seine Stimme als die eines amtierenden Bischof ist für unsere Kirche wichtig“, dachte er, nachdem Kardinal Karl Lehmann dem Papst seinen Rücktritt angeboten hatte. Später, bei einem Gottesdienst in Mainz, „da konnte man sehen, welche Schmerzen ihm jede Bewegung verursacht, und ich dachte: Hoffentlich will er noch bleiben.“ Givens ist dankbar für die „Verlängerung“: „Die Kirche in Deutschland verändert sich radikal. Da ist es gut, einen Bischof zu haben, der manchen Umbruch miterlebte und dem die Menschen vertrauen“, sagt er. „Wen der Weg durch unwegsames Gelände führt, der darf froh sein, wenn er einen Gefährten hat, der nicht jeden dunklen Graben gleich für einen Abgrund hält.“ Das gelte auch fürs Bistum: „Der Strukturprozess ist ja noch nicht abgeschlossen, die neuen pastoralen Schwerpunkte erst grundgelegt.“ Jeder könne den vom Bischof eingeschlagenen Weg nun weiter mitgehen, meint Givens. Und fügt hinzu: „Es kommt ja nicht darauf an, wie schnell einer die Stufen zum Altar hinaufsteigt, sondern ob das, was er von dort oben austeilt, unten bei den Menschen ankommt – und sie sättigt.“

„Schön, dass uns unser Bischof noch eine Weile erhalten bleibt“, war der erste Gedanke von Hans- Josef Heun. Aber dann fragte sich der Vorsitzende des Dekanatsrats Wetterau-West: Hat nicht auch er seinen Ruhestand verdient? Hat er nicht lange genug der Diözese vorgestanden und sich als Vorsitzender der Bischofskonferenz eingesetzt? „Er hat uns als Theologe sicher noch einiges zu sagen, wozu er bei der Belastung als Bischof nicht unbedingt Zeit findet“, meint Heun. Von daher wünsche er ihm Kraft, Gesundheit und Gottes Segen.

„Dass er auch genügend an sich und seine Gesundheit denkt“, wünscht Christine Ganß, Gemeindereferentin in der Wormser Dompfarrei, dem Kardinal. „Natürlich“ freue sie sich, dass er bleibt: „Wenn ich seine Stellungnahmen in der Öffentlichkeit mitbekomme, bin ich immer ein bisschen stolz darauf, dass wir in Mainz einen Bischof haben, der mit solcher Offenheit den Problemen in Kirche und Gesellschaft begegnet.“

„Als Pastoralreferentin“, sagt Renate Flath, „freut mich die Entscheidung des Papstes.“ Unter Lehmann gebe es im Bistum ein vertrauensvolles Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen, Klerikern und Laien, Frauen und Männern. Auch seine Stimme in der Bischofskonferenz und der Öffentlichkeit hält die Dekanatsreferentin im Dekanat Bergstraße-Mitte nach wie vor für wichtig: als kompetenter Gesprächspartner, als Mann des Ausgleichs und des Dialogs. „Zudem ist er volksnah und bei den Menschen beliebt“, sagt sie.

„Gut und richtungsweisend“ findet Pfarrer Ulrich Neff (Lich), Dekan des Dekanats Gießen, die Entscheidung des Papstes. „Gerade in Oberhessen, wo viele evangelische Schwestern und Brüder wohnen, ist dies für die Ökumene ein weiterer Meilenstein“, sagt er. Lehmann habe sich sehr für die Ökumene eingesetzt und wichtige Schritte getan. Gerade in einer Zeit, „in der unsere christliche Kirche eine schwere Durststrecke durchstehen muss“, sei es wichtig, den Glauben offen zu bezeugen. „Dafür steht auch unser Bischof“, so Neff.

„Mit Erleichterung“ hat Christine Stotz, Pfarrgemeinderatsvorsitzende in Bischofsheim, die Entscheidung vernommen. Sie freut sich über „die Kontinuität einer liberalen, weltzugewandten und aufgeschlossenen Amtsführung“, die mit der Verlängerung der Amtszeit Lehmanns verbunden sei. Sie ist zuversichtlich, dass die Lösung der drängenden Zukunftsfragen der Kirche und des Bistums bei ihm in besten Händen ist. Andererseits fragt sie sich, „ganz menschlich gesehen“, ob ihm mit 75 ein Ruhestand zu wünschen gewesen wäre. „Ich hoffe, dass die Verlängerung seiner Amtszeit auch seinem Wunsch entspricht“, sagt sie. Und freut sich auf das Bistumsfest. (mw)

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