Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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„Doppelschreck“ gibt es heute nicht mehr
13.06.09

„Es runden sich in diesem Jahr nicht nur die 1000 Jahre des Willigis-Doms, sondern auch die 200 Jahre von vier Glocken des Domgeläuts“, entdeckt Dompfarrer Franz-Rudolf Weinert. Im Jahr 1809 wurden die Glocken Martinus, Maria, Joseph und Bonifatius im Kreuzgang des Doms vom Mainzer Gießer Josef Zechbauer gegossen.

Heute erklingen sie zusammen mit den 49 Jahre alten Glocken Albertus, Willigis, Bilhildis und Lioba. Jüngstes Mitglied im Domgeläut ist die Heilig-Geist-Glocke. „Sie ist 2002 von Weihbischof Wolfgang Rolly geweiht worden“, sagt Weinert. „Mit ihren 274 Kilogramm ist sie die zweitleichteste der neun Glocken.“

Die leichteste – Lioba – hört man abends zusammen mit der Willigis-Glocke je nach Jahreszeit zwischen 17.30 Uhr und 19.30 Uhr beim Angelus-Läuten. Morgens und mittags erschallt die Willigis- Glocke allein zum Angelus-Gebet. „So haben einige Glocken ihren speziellen Einsatz“, erklärt Weinert und fügt hinzu: „Besonders berührt mich, wenn ein Mitbruder verstorben ist und die ganz tiefe Martinus-Glocke läutet.“ Auch das halbstündige Läuten beim Tod von Papst Johannes Paul II. habe ihn tief bewegt.

Im Mittelalter scheinen die Mainzer Domglocken die Menschen regelrecht aufgeschreckt zu haben. Das schließt Franz-Rudolf Weinert aus seinen Recherchen zum damaligen Domgeläut. „Es gab zum einen die Stiftsglocken, die im Westturm hingen, und die Pfarrglocken im Ostturm. Läuteten die Glocken nur eines Turms wurde dies ,Schreck‘ genannt, ,Halbschreck‘ sagte man, wenn nur einige Glocken eines Turm erklangen.“ An den höchsten Festtagen hörten die Mainzer das Geläut aus beiden Türmen – dies erhielt die Bezeichnung „Doppelschreck“. Der Ausdruck „Schreck“ weise auf das Gewaltige des Läutens hin, interpretiert der Dompfarrer.

„Schreck“, „Halbschreck“ und „Doppelschreck“ gibt es nicht mehr: alle mittelalterlichen Glocken sind bei Bränden 1767 und 1793 vernichtet worden; die heutigen Glocken befinden sich nur noch im Westturm über der Turmuhr.

Auch die Arbeit der Glöckner, die im Mittelalter rund um die Uhr im Einsatz waren, hat eine Läutemaschine übernommen. Sie ist auf zwölf unterschiedliche Läutekombinationen programmiert.

Anja Weiffen

© Annegret Burk