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Noch Entwicklungsland
03.07.11

Noch Entwicklungsland

Menschen mit Behinderung erzählen, womit sie zu kämpfen haben

 

Ausgabe 27 vom 3. Juli 2011

Seligenstadt (pm). Wie klappt es mit der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung in Deutschland, so wie es die Caritas in diesem Jahr zum Thema macht? Noch nicht berauschend, stellen Betroffene fest. Auch in Hessen. Was ist zu tun?

Laura Wurzel, Abiturientin, schildert die Schwierigkeiten, die sie in Kita, Grundschule und Gymnasium erlebt hat. Es kostete sie und ihre Eltern viel Kraft und Überzeugungsarbeit, damit sie die „Regeleinrichtungen“ besuchen konnte. Sie wirbt für einen Mentalitätswechsel, damit Kinder, die wie sie mit einer Behinderung aufwachsen, selbstverständlich die Regelschulen besuchen dürfen.

Laura ist davon überzeugt, dass alle profitieren, wenn Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam lernen: „Kinder, die mit mir in einer Klasse waren, haben kein Problem mehr mit behinderten Menschen“, versichert sie.

Menschen mit Behinderung nicht zu „Exoten“ machen

Betroffene kritisieren, dass auf dem Weg zu mehr Teilhabe noch nicht viel erreicht wurde. „Deutschland ist ein Entwicklungsland“, sagt Isolde Meffert, Leiterin einer Seniorengruppe Gehörloser in Mainz. So gebe es kaum untertitelte Fernsehsendungen. Auch die Einführung persönlicher Budgets für Menschen mit Behinderung habe nicht zu mehr Teilhabe geführt.

„Gerade Menschen mit Behinderung machen oft die Erfahrung, dass sie wegen mangelnder Perfektion ausgegrenzt werden“, sagt Diözesancaritasdirektor Thomas Domnick bei der Vorstellung der Caritas-Jahreskampagne „Kein Mensch ist perfekt – Behinderte Menschen – Menschen wie du und ich“ im Gemeindezentrum der Pfarrei St. Mariä Verkündigung in Seligenstadt. Wer behinderte Menschen auf ihre Behinderung reduziere, mache sie zu „Exoten“.

Kitas und Schulen sind mehr gefordert

Evelin Schönhut-Keil, erste Beigeordnete des Landeswohlfahrtsverbands Hessen, fordert, dass Kindertagesstätten und Schulen sich gezielter auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen einstellen.

Domnick betont, dass der Weg zu einer selbstbestimmten Teilhabe, so wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention fordere, noch weit sei. So bestehe in Hessen zwar seit Jahren eine Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden zu Integrationsplätzen in Kindertagesstätten.

Kosten sparen statt UN-Konvention zu erfüllen?

„Auch wenn diese bundesweit Vorbildcharakter hat, muss doch festgestellt werden, dass immer mehr Kommunen aus dieser Rahmenvereinbarung aussteigen und eigene – kostensparendere – Wege gehen“, kritisiert der Diözesancaritasdirektor. Gerade hier wäre es notwendig, Gespräche zur Verbindlichkeit dieser Vereinbarung zu führen.

Der hessische Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) betont, dass die Landesregierung „erhebliche Anstrengungen“ unternehme, um Menschen mit Behinderungen Teilhabemöglichkeiten zu sichern. So sei Anfang des Jahres eine Stabsstelle zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eingerichtet worden. Grüttner lud die Sozialverbände dazu ein, an einem Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen mitzuarbeiten. „Es ist wichtig, dass wir uns verständigen, wie zu handeln ist, dass die Prioritäten im Konsens erarbeitet werden und dieser von allen getragen wird.“

Domnick hebt hervor: Die Begegnung von behinderten und nichtbehinderten Menschen im Alltag helfe, einen unbefangenen Umgang miteinander einzuüben. Dabei würden zwar die Einschränkungen wahrgenommen, aber nicht in den Mittelpunkt gestellt. Gelingende „Inklusion“ sei ein Prozess, auf den sich die ganze Gesellschaft einlassen müsse. Inklusion beginne im Kopf.

Stichwort

Inklusion

Ein gleichberechtigtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung, so definiert Caritas-Präsident Peter Neher das Caritas-Jahresthema „Kein Mensch ist perfekt“, das sich um den Begriff „Inklusion“ rankt (lateinisch inclusio, Einschluss). Soziale Inklusion verwirklicht sich, wenn jeder Mensch mit seiner Individualität gesellschaftlich akzeptiert ist. Unterschiede werden zwar wahrgenommen, verlieren aber an Bedeutung. Zentral ist die soziale Inklusion in der UN-Behindertenrechtskonvention von 2009. Deutschland hat die Konvention unterzeichnet und sich verpflichtet, deren Vorgaben umzusetzen. (wei)

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