Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
Nicht die heile Welt – das Heil der Welt
05.06.11

Nicht die heile Welt – das Heil der Welt

Drei Familienväter werden Ständige Diakone – Weihe am Samstag vor Pfingsten

 

Ausgabe 23 vom 5. Juni 2011

So wie hier im Garten des Priesterseminars haben die angehenden Diakone bei ihren Treffen in Mainz oft bis weit in die Nacht zusammengesessen. Diese Gespräche haben ihnen sehr viel gegeben, sagen sie. Von links: Andreas Debus, Matthias Kirsch, Jochen Dietz.Foto: Maria Weißenberger

HeiIm

Von Maria Weißenberger

Am Anfang scheint die Ausbildung viel zu lang. Doch im Lauf der Jahre stellt sich die Erkenntnis ein: Es braucht diese Zeit, um auch die notwendige innere Entwicklung zu vollziehen. Darüber sind sich Jochen Dietz, Andreas Debus und Matthias Kirsch einig. Jetzt fühlen sie sich bereit für ihre Weihe zu Ständigen Diakonen.

Zeit haben sie alle drei auch gebraucht, um sich für die Ausbildung zu entscheiden. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat die Berufung keinen von ihnen getroffen. „Wenn Sie nicht so viel zu tun hätten, würde ich Sie glatt als Diakon vorschlagen“, hatte Pfarrer Gerold Reinbott einmal zu Matthias Kirsch (50) gesagt, der diese Bemerkung zunächst „als Scherz empfunden“ hat.

Erst eine Osterpredigt von Pfarrer Bernd Eichler nahm er zum Anlass, tatsächlich über diesen Weg nachzudenken, suchte das Gespräch mit Diakon Bernd Zäuner – und ein halbes Jahr später auch mit Pfarrer Dietmar Wieland, dem Beauftragten des Bistums für das Ständige Diakonat. Danach war er zwar nicht sicher, dass er Diakon werden wollte, begann aber mit dem theologischen Fernkurs. „Ich dachte, damit kannst du nichts falsch machen, du lernst was, nimmst was mit davon.“ Leicht, sagt Kirsch, hat er es sich nicht gemacht, „ich habe sehr mit mir gekämpft, ob ich den nächsten Schritt gehe“.

Alle wissen es – nur du selbst nicht

„Du bist nur viel zu feige dazu“, hat Jochen Dietz ihm in einem Gespräch um zwölf Uhr nachts schließlich gesagt, erinnert er sich. Den Ausschlag gab dann eine Bemerkung seiner Ehefrau Regina: „Alle wissen, dass es das Richtige ist für dich – nur du weißt es nicht.“ Da endlich konnte er sich entschließen: „Okay, ich nehme auch die zweite Runde mit.“

Ohne genau zu wissen, wie es ausgeht, begann auch Andreas Debus (43) mit der Ausbildung: „Ich habe erstmal den Grundkurs gemacht und mich dann von Teilschritt zu Teilschritt weitergehangelt“, erzählt er. Den Mut zum jeweils nächsten Schritt fand er durch den Zuspruch seiner Ehefrau Anke und seine Gespräche mit dem damaligen Kaplan Christian Rauch, der heute Pfarrer in Groß-Zimmern ist. Er war es auch, der 2005 gesagt hatte, dass er sich Debus als Diakon gut vorstellen könnte. Gemeinsam hatten die beiden Männer damals einen Taizé-Kreis gegründet, und weil sich niemand für die Erstkommunionvorbereitung fand, hatte Debus 2004 diese Aufgabe übernommen. „Dabei habe ich entdeckt, dass es mir viel Freude macht, Menschen den Glauben weiterzugeben“, sagt er. Zuvor hatte er – nach einer „konsequent-liebevollen“ katholischen Erziehung – lange Zeit eher „kleinere Berührungspunkte“ mit der Kirche gehabt.

In seiner Kindheit ging es Jochen Dietz (45) ähnlich. Er war zwar evangelisch getauft, „aber meine Familie war wenig engagiert in der Kirche“, sagt er. Erst ein „intensives Aha-Erlebnis“ im Konfirmandenunterricht bewog ihn, tiefer einzusteigen: Er begann mit der Jugendarbeit in der evangelischen Gemeinde, musizierte in einer freikirchlichen Gemeinde-Band und im evangelischen Posaunenchor. Und spielte gelegentlich mit dem Gedanken, Pfarrer zu werden. Mit seiner späteren Ehefrau Susanne lernte er auch die katholische Spiritualität kennen „und lieben“, wie er sagt – so sehr, dass er, gerade 17 Jahre jung, sofort konvertieren wollte. Der Pfarrer hat ihn damals „etwas gebremst“, doch nach reiflicher Überlegung ist er später doch in die katholische Kirche eingetreten. „In der Tauffeier unseres ältesten Sohnes bin ich gefirmt haben“, erzählt Dietz.

„Hast du mal überlegt, Diakon zu werden?“: Diese Frage stellte ihm Schwester Emmanuele Heininger, eine Benediktinerin des Klosters Engelthal, die er in einem Imkerkurs kennenlernte. Der Gedanke beschäftigte ihn, aber „das packe ich nicht, mit drei Kindern und als Selbstständiger die aufwändige Ausbildung zu machen“, dachte er, nachdem er in „Glaube und Leben“ einen Artikel über Ständige Diakone gelesen hatte. Dennoch entschied er sich, „erst mal“ den Fernkurs anzufangen – und sich „führen zu lassen“, offen zu sein für alles, was passiert.

Nicht mit dem „spirituellen Bauchladen“ kommen

Aufgefallen ist dem Psychotherapeuten, der im Romrod eine verhaltenstherapeutische Praxis hat, dass ihm immer mehr Menschen auch Glaubensfragen stellen. Er ist sich bewusst, dass Glaube und Psychologie „nicht immer kompatibel“ sind, und selbstverständlich bleibt er in seiner Therapietätigkeit weltanschaulich neutral. „Ich komme nicht mit dem spirituellen Bauchladen daher“, sagt er. „Aber es kommt durchaus vor, dass Leute, die religiös sind, bewusst einen Therapeuten suchen, der mit dem Glauben etwas anfangen kann.“

„Viele Menschen haben eine tiefe Sehnsucht, über ihren Glauben zu sprechen“, ist die Erfahrung von Andreas Debus. Der Bankkaufmann, der in seinem Beruf mehr sieht als eine Möglichkeit zum Geldverdienen, macht immer wieder die Erfahrung: „Sobald man sich offen als Teil der Kirche bekennt, kommen die Menschen mit ihren Fragen.“ Und bei jemandem, den sie aus ihrem ganz alltäglichen Leben kennen, hätten sie offenbar auch keine Angst, sich mit ihren Fragen zu „disqualifizieren“, meint er.

Voll und ganz in der Welt verankert zu sein, ein „Teil des Systems“, und dabei gleichzeitig ein offizieller Vertreter der Kirche – das macht auch für Matthias Kirsch die Rolle der Diakone mit Zivilberuf aus. Der Diplom-Rechtspfleger sieht sich und seine Amtsbrüder in einer Art Leuchtturmfunktion: „Diakone mit Zivilberuf lösen sich nicht von der Welt, um allein ihrem Glauben zu leben, sondern bleiben Teil der Gesellschaft.“

Diese Kombination, finden alle drei, macht sie zu „speziellen“ Ansprechpartnern, auf die Menschen oft leichter zugehen können als auf Priester. „Im zivilen Bereich ist der Kontakt meist unkompliziert aufzubauen“, findet Kirsch. So falle Besuchern schnell das Hungertuch auf, das in seinem Arbeitszimmer hängt – auf diese Weise komme er schnell ins Gespräch. In Konkurrenz zum Priester begreifen sich die drei aber nicht: „Wir haben unterschiedliche Charismen, die einander ergänzen“, erklärt Jochen Dietz.

„Bevor man die Ehe riskiert, gibt man anderes auf“

Beruf, Gemeinde und nicht zuletzt Familie – wie lässt sich das überhaupt realisieren? „Ohne meine Frau wäre das undenkbar“, sagt Matthias Kirsch, und seine Kollegen pflichten ihm uneingeschränkt bei. Und sind sich mit ihm auch einig: „Bevor man seine Ehe riskiert, gibt man anderes auf.“ Die zeitliche Anspannung sei eine große Herausforderung. Da gelte es aufzupassen, dass man sich nicht verheizen lässt. Ohne die ständige Unterstützung seiner Frau wäre das Diakonat nicht möglich, weiß Jochen Dietz. Und Andreas Debus meint nachdenklich: „Manchmal frage ich mich, ob die Frauen den eigentlichen Weg gehen.“ Sie „laufen in der Stille mit“, sagt er, „ähnlich wie ein Schneepflug, der Dinge wegschiebt und den Weg freihält.“ Aber auch als Korrektiv erleben die Familienväter ihre Frauen, die schon mal darauf hinweisen, dass die Predigt nicht zu kompliziert werden darf. Oder gelegentlich bremsen, wenn die Männer sich zu viel aufbürden. „Mir ist im Lauf der Zeit bewusst geworden, dass meine Frau seit Jahren mehr Diakon ist als ich es je sein werde“, sagt Matthias Kirsch.

Drei Männer, die ein Amt übernehmen in einer Kirche, die heftig von einer Vertrauenskrise geschüttelt ist. Schreckt sie das nicht ab? Mit sexuellem Missbrauch, den viele als Auslöser der Krise sehen, hat Jochen Dietz beruflich viel zu tun – und weiß: „Sexueller Missbrauch ist in der Kirche nicht häufiger als sonst in der Gesellschaft.“ Entschuldigen will er damit nichts, wie auch die beiden anderen Männer nicht: „Jeder Fall war einer zuviel“, sagt Andreas Debus, wehrt sich aber gegen eine Kollektiv-Verurteilung. Es sei wichtig, die Menschen auch auf die gute Arbeit in vielen Bereichen, gerade mit Kindern und Jugendlichen, aufmerksam zu machen. „Der sexuelle Missbrauch ist ein Geschwür in der Kirche, aber er ist nicht das Ganze“, stellt Matthias Kirsch fest. Und Jochen Dietz betont, wie wichtig es ist, sich bewusst zu sein: „Wir verkünden keine heile Welt – wir verkünden das Heil der Welt.“

Weihe durch Weihbischof Werner Guballa am 11. Juni um 9.30 Uhr im Mainzer Dom

Zur Sache

Die Ausbildung

Die berufsbegleitende Ausbildung des Bistums Mainz für Diakone im Zivilberuf dauert fünf bis sechs Jahre. Voraussetzung ist mindestens die Mittlere Reife.Die theologische Ausbildung wird durch die Studienbriefe „Theologie im Fernkurs“ der Domschule Würzburg vermittelt. Der Grund- und Aufbaukurs beträgt zweieinhalb Jahre. Das Fernstudium wird durch einen Mentor begleitet; hinzu kommen Besinnungstage und weitere Angebote im Bereich der Theologie. Die bestandene Prüfung der Domschule ist eine der Voraussetzungen für die Aufnahme in den Diakonatskreis, in dem die pastorale und spirituelle Ausbildung erfolgt. Dazu gehören Studienwochenenden, Besinnungstage und Exerzitien, ein Gemeindepraktikum und Wochenenden mit der Familie. (mw)

Kontakte: Ordinariatsrat Dietmar Wieland, Telefon 06131/253231, E-Mail: diakone@bistum-mainz.de

Domschule Würzburg, Telefon 0931/38664600, Internet: www.fernkurswuerzburg.de

Zur Person

Lebensläufe

Andreas Debus

  • geboren am 11. Oktober 1967 in Lorsch
  • verheiratet seit 1993 mit Anke Debus, zwei Kinder (16 und 13 Jahre)
  • Beruflicher Werdegang: Ausbildung zum Bankkaufmann, Sparkassenfachwirt, Sparkassenbetriebswirt, Studium in Bonn zum Diplom-Sparkassenbetriebswirt, seit 1999 Abteilungsdirektor und Leiter der Abteilung Interne Revision der Sparkasse Bensheim
  • Heimatpfarrei: St. Nazarius Lorsch
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten in der Kirche: Mitglied im Pfarrgemeinderat, im Liturgieausschuss, tätig als Lektor und Kommunionhelfer, Mitglied der ökumenischen Vorbereitungsgruppe Taizé-Gebet, Mitarbeit in der Erstkommunionvorbereitung
  • Sonstige ehrenamtliche Tätigkeiten: Mitglied im Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer Darmstadt, dreijährige Tätigkeit als Vorsitzender des Schulelternbeirats, Mitglied der Schulkonferenz und des Forums Kreiselternbeirat (bis 2004), Wahlhelfer

Jochen Dietz

  • geboren am 15. August 1965 in Romrod (Vogelsbergkreis), seit 1989 verheiratet mit Susanne Dietz, drei Kinder (11, 8 und 7 Jahre)
  • Beruflicher Werdegang: Studium Psychologie und Musikwissenschaften, Ausbildung in Gesprächspsychotherapie und in klinischer Verhaltenstherapie; Arbeit in einer psychiatrischen Klinik in Frankfurt, seit Ende 1992 niedergelassen in eigener verhaltenstherapeutischer Praxis in Romrod
  • Heimatpfarrei: St. Joseph, Romrod (Pfarrgruppe Alsfeld-Homberg)
  • Ehrenamtliche Tätigkeiten in der Kirche: im Pfarrgemeinderat seit 1999, vielfältige musikalische Aktivitäten in den Gemeinden der Pfarrgruppe, diverse spezielle Aufgaben, zum Beispiel Betreuung der Sternsinger-Aktion
  • Sonstige ehrenamtliche Tätigkeiten: Vorsitz im Heimat- und Kulturverein Romrod, verschiedene musikalische Tätigkeiten

Matthias Kirsch

  • geboren am 2. Februar 1961 in Quierschied, verheiratet seit 1992 mit Regina Kirsch, zwei Kinder (16 und 14 Jahre)
  • Beruflicher Werdegang: Fachhochschule für Rechtspflege in Schwetzingen, 1985 Abschluss als Diplom-Rechtspfleger (FH) mit anschließender Übernahme in den Justizdienst des Landes Rheinland-Pfalz, zurzeit tätig beim Amtsgericht Alzey
  • Heimatpfarrei: St.Peter und Paul in Flörsheim-Dalsheim
  • Ehrenamtliche Tätigkeit in der Kirche: Mitglied des Verwaltungsrats, Mitarbeit im Familiengottesdienstkreis, einige Jahre organisatorische Leitung des Familiengottesdienstkreises, 2001 Organisation einer Wochenendfahrt der Kommunionkinder, 2002/2003 Erstkommunionvorbereitung, seit 2005 Lektor, 2006 Gründung einer Jugendgruppe, seit 2007 Aushilfe bei Küstertätigkeiten sowie Leitung von Wort-Gottes-Gottesfeiern
  • sonstige Ehrenämter: Mitglied in einem Bibelkreis der evangelischen Kirche, Mitglied im Verein „Die Wonnegauner – Verein für Kinder“, vier Jahre im Vorstand, sportliche Leitung der Volleyball-Abteilung im örtlichen Sportverein, zwei Jahre Leitung der Volleyball-Jugendgruppe, Mitglied im Musikverein „Harmonie Herrnsheim“

Ihr Draht zu uns

Redaktion

Liebfrauenplatz 10
55116 Mainz
Tel. 06131 / 28755-0
Fax 06131 / 28755-22
Mail: info@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de