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Barfuß und in frischen Farben
08.05.11

Barfuß und in frischen Farben

Christen kämpfen um mehr Gerechtigkeit bei der Textilherstellung – eine Aktionswoche in der Mainzer Hochschulgemeinde

 

Ausgabe 19 vom 8. Mai 2011

Die Studenten an der KHG zeigen Öko-Mode: für den Uni-Alltag oder für besondere Anlässe. Foto: Nicole Weisheit-Zenz

Dominic Kloos Foto: privat

Baumwollblüte Foto: kna-bild

Von Nicole Weisheit-Zenz

Sie steht für einen neuen Lebensstil, der guten Geschmack, Umweltschutz und Gerechtigkeit miteinander verbinden will: Kleidung aus ökologischem Anbau, umweltverträglich verarbeitet, fair produziert und gehandelt. Wie sieht sie aus? Wie lebt es sich darin?

Dass die Stücke nicht langweilig aussehen, davon zeugen die Beispiele auf einem Kleiderständer am Eingang der Kirche St. Albertus. „Das sind keine Kartoffelsäcke oder wallende Gewänder, sondern richtig schicke Sachen“, schwärmt Christine Schardt, Seelsorgerin an der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Mainz, die die Aktionswoche „Ethical fashion“ mit ins Leben gerufen hat. Sie freut sich über eine Premiere: Zum ersten Mal wird eine Modenschau in der KHG-Kirche gezeigt, die für kurze Zeit zum Laufsteg wird. Zu flotter Musik und viel Applaus präsentieren 20 Models moderne Jeans, Oberteile, Kleider, Hüte und Taschen verschiedener Marken.

„Uns war es wichtig, gegen Vorurteile anzugehen“

Barfuß und in frischen Farben gekleidet, mit Naturmotiven oder maritimen Streifen bringen die jungen Leute darin ihre Lebensfreude zum Ausdruck. „Die Kleidung ist hipp und zeitgemäß, aber nicht zu Lasten der Umwelt und der Gesundheit anderer Menschen“, sagt Julia Dieckmann, die durch das Programm der Vernissage und der Modenschau führt. Dabei informiert die Bildungsreferentin von „Weltladen unterwegs” auch über die hohen Umwelt- und Sozialstandards, unter denen diese Textilien entstanden sind.

„Uns war es wichtig, gegen Vorurteile anzugehen und zu zeigen, dass Bio-Kleidung gut aussieht und trotzdem nicht sehr teuer sein muss“, betont die Studentin Astrid, die selbst mitgewirkt und auch ihre Freundinnen zur Modenschau eingeladen hat.

Anregungen zum Nachdenken auch in der Ausstellung „Made In – Made By“. „Keine Produktion auf Kosten von Menschenrechten“ lautet eine zentrale Botschaft der Schau, die auf den Spuren der Bekleidung um die Welt führt. Etwa zwölf Kilogramm Anziehsachen im Wert von rund 900 Euro kauft ein Deutscher im Jahr.

Genauso leicht zu tragen wie andere Materialien

Die Besucher haben zudem die Möglichkeit, die ausgestellten Kleidungsstücke, die mit weniger Schadstoffen hergestellt sind, anzufassen. Sie sollen spüren, dass Stoffe wie etwa Cord, Linon oder Jersey, wenn sie umweltfreundlich hergestellt werden, genauso leicht zu tragen sind wie herkömmlich produzierte Materialien. „Was wir tragen, hat Auswirkungen auf andere Menschen in der ganzen Welt, daher ist es ein Thema, das uns alle angeht“, resümiert Elena Hofferberth von „Global bewegt!“. Die neu gegründete Gruppe an der Mainzer Hochschule engagiert sich aus christlicher und humanistischer Sicht für Umwelt und Menschenrechte. Das Bündnis aus kirchlichen und nichtkirchlichen Gruppen setzt sich im Rhein- Main-Gebiet dafür ein, gerade junge Erwachsene für umwelt-und friedenspolitische Themen zu bewegen. Durch das Bündnis soll auch ein offener Dialog zwischen Kulturen und Religionen möglich werden. „Je mehr Kooperationspartner dabei an einem Strang ziehen, desto wirksamer wird die Aktion“, sagt Pfarrerin Dagmar Sydow von der Evangelischen Studierendengemeinde, die die Initiative unterstützt.

Sehr zufrieden mit der großen Resonanz ist Christine Schardt: „Die jungen Leute haben gesehen, dass es Spaß macht, sich zu engagieren und sich für Werte in unserer Gesellschaft einzusetzen. Es ist kein Verzicht, sondern die Chance auf ein anderes Leben.“

Nachgefragt

„Wir könnten wieder kreativ mit unseren Kleidern umgehen“

Warum jeder mit einem T-Shirt mehr kauft als nur ein bisschen Stoff

Dominic Kloos, Friedensarbeiter in der Pax-Christi-Bistumsstelle Limburg, kennt sich aus mit Bekleidung. In seiner Studie „Sozial-ökologische Mode auf dem Prüfstand“ (Südwind 2009) hat er sich auch mit „normaler“ Textilherstellung beschäftigt.

Frage: Warum ist ethisches Verhalten beim Kleiderkauf in der Öffentlichkeit noch unterbelichtet?

Kloos: Das empfinde ich gar nicht so. Es gab bereits in den vergangenen fünf bis zehn Jahren nicht wenige Berichte in den Massenmedien, die besonders durch die Arbeit der Kampagne für „Saubere Kleidung“ ans Licht kamen. Doch das reicht natürlich bei weitem nicht aus, um zu Veränderungen zu führen.

Kleider sind die zweite Haut.

Ja, der Gesundheitsaspekt interessiert. Die Leute wissen, dass man Textilien nach dem Kauf waschen sollte. Dadurch werden schon viele Giftstoffe herausgefiltert. Umfragen belegen zudem, dass der Wille zum sozial- und umweltverträglichen Kleiderkauf da ist. Ein Viertel der Deutschen würde gern so einkaufen. Aber: Nur fünf Prozent der Deutschen tun dies wirklich.

Woran liegt das – außer am Geldbeutel?

Das Thema ist für uns sehr weit weg. Wir kaufen zwar die Hose und das T-Shirt hier im Laden, aber die schlechten Arbeitsbedingungen, unter denen die Textilien hergestellt sind, und die Umweltzerstörung sehen wir hierzulande nicht. Das passiert ja alles in Entwicklungs- und Schwellenländern. Wir stecken den Kopf in den Sand. Außerdem können die Konsumenten sich vieles einfach nicht vorstellen.

Was zum Beispiel?

Es gibt Fabriken in China, in denen grundsätzlich erst einmal der erste Monatslohn einbehalten wird. Deshalb arbeiten die Menschen dort weiter, weil sie denken, sie bekommen diesen Monatslohn irgendwann zurück. So wie eine Kaution. Darüber hinaus reichen die Löhne nicht zum Leben, daher sind die Arbeiter gezwungen, Überstunden zu machen. Sie kommen dabei auf gigantische Arbeitszeiten. Nicht selten zwölf bis 14 Stunden pro Tag an sechs bis sieben Tagen der Woche. Manchmal müssen sie auch noch die Nächte durcharbeiten, wenn Großprojekte anstehen wie etwa eine Fußball-Weltmeisterschaft oder eine Aktion in den großen Supermärkten. Dann brauchen die hiesigen Unternehmen ihre Ware schnell. Aber unter den Arbeitern bewegt sich etwas: Sie schließen sich spontan zusammen und lassen sich nicht mehr alles gefallen. In China gab es 2007 – nach offiziellen Statis tiken – 88000 wilde Streiks.

Und die Umweltstandards?

Die werden in den Entwicklungsländern oft nicht eingehalten. Deshalb weichen die weltweit agierenden Unternehmen in diese armen Länder aus. Dort sind sie kaum Kontrollen unterworfen. Dabei ist es möglich, mit weniger Chemikalien auszukommen. Braucht man denn wirklich bügelfreie Hemden? Und ist Bio-Baumwolle nicht besser als dutzendfach bespritzte?

Wie wirkt sich der lockere Umgang mit Chemikalien aus?

Dazu eine Zahl als Beispiel: Jährlich sterben etwa 20 000 Menschen auf Baumwollfeldern an den Folgen von Pestizideinsatz. Arbeiterinnen und Arbeiter leiden an Atemwegsproblemen, Übelkeit und Sehstörungen. Arbeiterinnen haben Fehlgeburten.

Bekleidung soll wenig kosten und immer neu sein. Liegt nicht ein Grund für die Probleme darin, dass Mode immer schneller aus der Mode kommt?

Das stimmt. Hier werden nicht nur Produkte hergestellt, die der Mensch braucht, sondern vor allem künstliche Bedürfnisse geschaffen. Inzwischen wirft

eine bekannte Modemarke 16 Kollektionen im Jahr auf den Markt. Also mindestens jeden Monat ein neues T-Shirt im Schrank. Das ist gesteuerte Manipulation, um zu verkaufen. Die größten Mengen an Bekleidung werden in Nordamerika und Europa gekauft. Die Menge hat sich in den vergangenen 30 Jahren vervielfacht.

Was ist Ihrer Meinung nach der beste Hebel für Veränderung?

Hier ist eindeutig die Politik gefragt, um das Verhalten der Unternehmen stärker zu regulieren – national und international. Unabhängige Kontrollen sind erforderlich. Und Mindeststandards müssen zum Teil neu definiert werden.

Mindestlöhne machen nur Sinn, wenn sie international in einer größeren Region gelten. Sonst beraubt man ein Land seiner Einnahmequelle, wenn etwa die Näher in Bangladesch arbeitslos werden, weil Unternehmen billigere Arbeitskräfte in anderen Ländern suchen.

Es gibt kirchliche Initiativen wie etwa „Zukunft einkaufen“. Was halten Sie davon?

Prinzipiell finde ich das gut. Denn die Kirchen wie auch andere Institutionen haben unglaublichen Einfluss als Beschaffer von großen Mengen und können so Veränderungen anstoßen. Kirchen können Druck auf die Politik ausüben. Diese Chance ist aber meines Erachtens noch nicht ausreichend genutzt worden.

Wie kann jeder mit seiner Kleidung besser umgehen?

Natürlich ist es gut, Initiativen und Netzwerke zu unterstützen. Auch ist es ein Beitrag, beim Kauf auf fair gehandelte Bio-Baumwolle, das Gütesiegel GOTS oder den Hinweis auf die Fair Wear Foundation (FWF) zu achten. Aber wir könnten auch wieder kreativ mit unseren Kleidern umgehen, etwa sie selbst umnähen oder sie umschneidern lassen. Kleider in der Familie oder im Freundeskreis tauschen. Beim Kauf vor allem auf Qualität achten und seinen eigenen Stil finden. Es gibt Klassiker, die kommen nicht aus der Mode. Einfach versuchen, Kleider länger zu behalten.

Interview: Anja Weiffen

Infos: www.saubere-kleidung.de

Kommentar

Bloß kein Mode-Opfer!

Kleider sind sehr wichtige Dinge für das tägliche Auskommen. Sie bedeuten Schutz vor Kälte, Wind, Wetter und Blicken. Das Sich- Kleiden kann eine Kunst sein. Denn Kleider sind menschlicher Ausdruck und Lebensbegleiter für ein paar Jahre – heute meist nur noch für eine Saison.

Was hat die Wegwerfgesellschaft aus ihnen gemacht? Sie produziert Kleider ohne Seele, am laufenden Band. Wen wundert’s, dass der Konsument immer neue davon braucht. Ihre Herkunft, die Rohstoffe und der Menschen Hände Arbeit, tritt er mit Füßen und macht sich gleichzeitig abhängig von billigen Stoffen. Nicht umsonst existiert der Ausdruck „Fashion Victim“ (Mode-Opfer). Denn Kleider machen erpressbar. An ihren Schuhen und Hemden vom vorletzten Jahr kann man jene erkennen, die kein Geld haben, sich dem neuesten Mode-Diktat zu unterwerfen. Unternehmen wittern hier ihre Chance. Das Mode-Karussell dreht sich fast von selbst. Wer in der Gesellschaft mithalten will, dreht mit am Rad.

Jesus sagte zu seinen Schülern: „Und was sorgt ihr euch um eure Kleidung? Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und weben nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen.“ (Matthäus 6, 28)

Jesus ruft dazu auf, sich nicht von Äußerlichkeiten abhängig zu machen und darauf zu vertrauen, dass Gott für uns sorgt. Seine Worte regen auch dazu an, die Kleider, die mühsam hergestellt werden, wertzuschätzen und sie pfleglich zu behandeln.

Anja Weiffen

Zur Sache

Fakten zur Baumwolle

  • 8000 Liter Wasser, also etwa 240 Badewannen voll, werden verbraucht, um eine Jeans zu produzieren.
  • Vor allem durch den Baumwollanbau ist der Aralsee um 85 Prozent geschrumpft.
  • 25 Millionen Tonnen Baumwolle werden pro Jahr weltweit geerntet, ein Prozent davon wird ökologisch angebaut. Der fair gehandelte Anteil liegt im Promille-Bereich.
  • 2,5 Prozent der weltweiten Ackerfläche werden für den Baumwollanbau gebraucht. Dort kommen zehn Prozent der weltweit gehandelten Spritzmittel (Pestizide) zum Einsatz.
  • Zwei Milliarden US-Dollar werden pro Jahr für Pestizide im Baumwollanbau ausgegeben. 800 Millionen US-Dollar davon für giftige Produkte. (wei)

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