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Arm sein heißt unfrei sein
14.11.10

Arm sein heißt unfrei sein

Kirchliche Mitarbeiter diskutieren mit Menschen, die Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren

 

Ausgabe 46 vom 14. November

Mireille Bella-Atah fühlte sich wie ein Mensch zweiter Klasse. Fotos: Paavo Ondreka

Referent Mario Junglas

Wenn Menschen als „Entbehrliche“ bezeichnet werden, schlagen Experten Alarm. Kirchliche Mitarbeiter und Betroffene berichten, wie durch Armut Menschen ins gesellschaftliche Abseits geraten.

Für eine radikale Wertschätzung der Menschen, die arm sind, spricht sich Mario Junglas, Direktor des Berliner Büros des Deutschen Caritasverbands, beim achten „Forum Sozialpastoral“ aus. Tendenzen, diese Menschen als die „Entbehrlichen“ zu bezeichnen, weil sie als Konsumenten oder Leistungsträger uninteressant seien, erteilt er eine Absage.

„Solche erschreckenden Aussagen erschüttern unser Selbstver-ständnis in unser Gemeinwesen in unseren Grundfesten“, sagt der Jurist und Theologe vor den rund 60 Mitarbeitern aus kirchlicher Pastoral und Caritasarbeit. Zu der Veranstaltung im Haus am Maiberg in Heppenheim hatte die Initiative Sozialpastoral im Bistum Mainz eingeladen.

Junglas macht deutlich, dass die Betroffenen selbst am besten wissen, was sie brauchen. „Sie sind die Experten für ihre eigene Situation.“ Das zeige etwa das Projekt HOT (Haushaltsorganisationstraining) des Deutschen Caritasverbands, das die Alltagskompetenz von Menschen stärken soll, etwa weil sie durch Langzeitarbeitslosigkeit ihre Alltagsstruktur verloren haben. „Wir brauchen heute soziale Lernformen, die auf die Lebenswelt der Menschen zugeschnitten sind.“

Der Referent weist auf die nicht-materiellen Folgen von Armut hin. „Armut bedeutet Abhängigkeit von Transfers und Unterstützung, Einschränkungen in der Gesundheit, der Bildung und den sozialen Beteiligungsmöglichkeiten, kurzum: Unfreiheit in der Gestaltung des eigenen Lebens.“

Angelehnt an das biblische Gleichnis der Speisung der 5000 ruft der Theologe die Mitarbeiter in Kirche und Caritas dazu auf, aus der Fülle des Lebens heraus zu handeln. „Mit kleinen Anfängen loszulegen, das ist unser Auftrag des Herrn.“

Nicht nur durch Armut sind Menschen von gesellschaftlichen Prozessen ausgeschlossen. Auch schlechte Arbeitsverhältnisse, mangelnde Bildung oder eine andere Hautfarbe können ausgrenzen. Davon berichtet beispielsweise Mireille Bella-Atah. Die Kamerunerin kam 1998 zum Studium nach Mainz.

Nicht nur sprachliche und bürokratische Hürden rückten bei ihr nach ihrer Ankunft das Bild von ihrem Traumland zurecht. Hürden gab es auch bei der Wohnungssuche: Denn ihr afrikanisches Aussehen war vielen Wohnungseigentümern Grund genug, ihr nach einem persönlichen Vorstellungstermin noch eine Absage zu erteilen. „Manchmal habe ich mich wie ein Mensch zweiter Klasse gefühlt. Aber ich bin eine Kämpferin.“ Mireille Bella-Atah hat sich durchgebissen, ihren Abschluss gemacht und in Deutschland Wurzeln geschlagen. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern in Worms.

Um ausländischen Studierenden die Integration in Deutschland zu erleichtern, müsste es mehr Hilfen direkt nach der Ankunft geben. Jedem Neuankömmling könnte ein Tutor zur Seite gestellt werden. „Mir haben ein Sprachtandem und die Hochschulseelsorge in Germersheim sehr geholfen“, sagt Bella-Atah.

Kirche und Caritas seien am Zug, wenn es darum geht, Hilfe zu organisieren, meint Stephan Volk, Dekanatsreferent im Dekanat Bergstraße Mitte. „Selbsthilfe und Fremdhilfe müssen für mich in einem ausgewogenen Verhältnis stehen“, sagt er. Deshalb sei es wichtig, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen, um ihre Bedürfnisse zu erfahren.

Dass sich Kirche vor dem Hintergrund zunehmender „prekärer“ Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitnehmer-Rechte engagieren müsse, betont Hans-Georg Orthlauf-Blooß, Betriebsseelsorger für die Region Mainz. Für Annemarie Melcher, Leiterin der Telefonseelsorge Darmstadt, liegt das Kapital von Kirche und Caritas in einer „wertschätzenden Kommunikation“. Entscheidend sei, mit den Betroffenen, „auf Augenhöhe in Kontakt zu kommen“. (pm)

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