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Kräftig gegen den Strich bürsten
19.06.11

Kräftig gegen den Strich bürsten

Was Ketteler der Kirche von heute zu sagen hat – Tag der Caritas mit Verleihung des Kettelerpreises

 

Ausgabe 25 vom 19. Juni 2011

Um soziale Herausforderungen heute ging es in einem Podiumsgespräch. Von links: Professor Gerhard Kruip, Ministerin Malu Dreyer, Diözesan-Caritasdirektor Thomas Domnick, der das Gespräch moderierte, Weihbischof Werner Guballa, ZDF-Intendant Markus Schächter, Professor Aloys Buch Fotos: Maria Weißenberger

Caritasdirektor Hans-Jürgen Eberhardt (hinten links) mit den Preisträgern. Von links: Judith König, das Pfarrhausteam von Mainz, Liebfrauen, mit Pfarrer Friedrich Franz Röper, Rita Flegel, Pfarrer Gregor Nagel, Sonja Lubkowski, Maria Korb und Hildegard Klein, Jörg Asmus und Elisabeth Christmann stellvertretend für Theresia Asmus

Von Maria Weißenberger

„Existenzminimum“ bedeutet mehr, als genügend zu essen und zu trinken haben: Das betonte die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) in einem Podiumsgespräch am „Tag der Caritas“ im Erbacher Hof in Mainz. Das Thema: „Bischof Ketteler – Herausforderung für eine diakonische Kirche heute“.

Sie habe sich viel mit Ketteler beschäftigt, sagte die Politikerin. Dabei hat sie beeindruckt, wie stark er die Achtung der Menschenwürde jedes Einzelnen betonte. „Wir haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass soziale Gerechtigkeit lebendig wird“, erklärte sie.

Den ganzen Tag schuften – für weniger als Hartz IV

Dass die soziale Frage politisch gelöst werden muss, hat Ketteler im Lauf seines Lebens immer klarer erkannt. Darauf hatte Weihbischof Werner Guballa zuvor in einem Vortrag über den Mainzer Sozialbischof hingewiesen. Die Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche, die Ketteler zu seiner Zeit massiv angeprangert hatte – und die viele in Deutschland ein für allemal überwunden glaubten – wird heute wieder stärker, stellte die Ministerin fest. „Es gibt zunehmend Menschen, die den ganzen Tag schuften und mit ihrem Einkommen nicht über den Hartz-IV-Satz hinauskommen“, sagte sie. „Das ist ein Skandal.“

Niemand darf von der Teilhabegerechtigkeit ausgeschlossen werden, forderte Professor Gerhard Kruip, Sozialethiker an der Universität Mainz. „Gerechtigkeit ist unteilbar“, betonte er und rief dazu auf, Gerechtigkeit auch „in den europäischen und den globalen Raum hinein zu denken“. Es sei erforderlich, die internationalen Bemühungen um Bildungsgerechtigkeit zu intensivieren, um der Armut weltweit zu begegnen.

Wie die Beschäftigungsverhältnisse geregelt werden, wie der Umgang miteinander – auch bei Konflikten – aussieht, aber auch wie umweltfreundlich man bei der Herstellung von Produkten vorgeht: All dies gehört für Professor Aloys Buch zum sozialen Profil von Unternehmen. Geld zu verdienen, professionelle Arbeit zu leisten und sich dennoch von anderen zu unterscheiden – mit dieser Aufgabe sei gerade die Caritas vertraut, sagte der aus Offenbach stammende Theologe, der heute das Stiftungswesen der C&A-Firmengruppe leitet.

Sich an die eigenen Grundsätze halten

Als „kritischen Punkt“ gelte es zu beachten: Was man nach außen vertritt, muss „innen“ auch gehalten werden. Die Vertreter der katholischen Soziallehre seien gefordert, „kräftig gegen den Strich zu bürsten“ und wenigs-tens christlichen Unternehmern ins Gewissen zu reden.

Warum finden die sozialen Themen in den Medien so wenig Beachtung? Warum gehen Zusammenhänge und Hintergründe im „Schlagwortjournalismus“ von heute oft unter? „Der Wettbewerb von Internet und traditionellen Medien ist problematisch“, antwortete ZDF-Intendant Markus Schächter auf diese Fragen von Diözesancaritasdirektor Thomas Domnick, der das Gespräch moderierte. Es bestehe die Gefahr, dass der Gewinn an Zeit einen Verlust an Tiefe mit sich bringe. Doch gebe es auch gute Beispiele, etwa die noch junge Reihe „37 Grad“, die an Beispielen aus dem „gelebten Leben“ manche „Baustellen“ der Gesellschaft aufzeige.

Nötig sind, sagte Schächter, „Kommunikatoren, die soziale Probleme mit starken Bildern und starken Worten ansprechen“. Was die Caritas von Kettelers Verhalten lernen kann? Schächter formuliert es in einem Imperativ, kurz und klar: „Seien Sie offensiv – mischen Sie sich ein.“

Zur Sache

Wie Steine, die im Wasser Kreise ziehen

Zwei Frauen und ein Team sind am „Tag der Caritas“ mit dem Ketteler-Preis ausgezeichnet worden. Thomas Karst, Vorstandsvorsitzender der Ketteler-Stiftung, verglich ihr Engagement mit dem Werfen vieler Steine ins Wasser, die wiederum viele Kreise ziehen. „Wir wollten besonders jene finden, die trotz eines immensen Einsatzes nicht im Rampenlicht stehen, jene, die selbstlos für andere mitdenken und handeln.“ In Interviews mit Pastoralreferent Winfried Reininger von der Stabsstelle Gemeindecaritas des Diözesan-Caritasverbands sprachen die Preisträger über ihre Arbeit und ihre Motivation.

„Sie redet mit jedem auf gleicher Augenhöhe, ob es nun der Obdachlose von nebenan ist oder der Kaiser von China“: So schilderte Annette Wilke-Hanf, Mitarbeiterin im Gemeindepsychiatrischen Zentrum in Lampertheim, die Preisträgerin Theresia Asmus, die wegen einer Erkrankung nicht kommen konnte. Ihr Sohn Jörg Asmus nahm stellvertretend für sie den Preis entgegen.

Theresia Asmus gründete einen Asylkreis, in dem sie 15 Jahre lang arbeitete, sie leitet den Caritaskreis von Mariä Verkündigung, hilft so Verschuldeten, Arbeitslosen, Kranken und setzt sich für das Gemeindepsychia-trische Zentrum in Lampertheim ein. Eine ihrer besonderen Stärken, sagte Annette Wilke-Hanf, ist die Fähigkeit, eine Sache hartnäckig zu verfolgen. Auch habe sie keine Berührungsängste.

Mit dem Preisgeld will Judith König ein Haus finanzieren, in dem viele Projekte der Caritas im Pfarreienverbund AKK unter einem Dach zusammengebracht werden können, zum Beispiel die „Kleiderkiste“, der „Babykorb“ und der „Brotkorb“. Bescheiden sagt die 55-jährige: „Ich allein könnte das alles gar nicht schaffen.“ Sie sei dankbar für die Mitarbeit vieler weiterer Ehrenamtlicher. „Ich versuche nur die Nächstenliebe zu leben“, sagt die Leiterin der Pfarrcaritas von Maria Hilf in Mainz-Kostheim. Sie sei dankbar, dass sie verwirklichen kann, was sie erfüllt.

Das Pfarrhausteam von Liebfrauen in Mainz erhielt den Preis für seine Arbeit in der Neustadt, wo viele Menschen in finanzieller und sozialer Armut leben. Ein Schwerpunkt liegt in der Kinder- und Jugendarbeit, machte Pfarrer Gregor Nagel deutlich. „Es ist wichtig, den Jugendlichen auf unterschiedliche Weise immer wieder die Botschaft zu vermitteln: Du bist etwas. Der Glaube hilft dir. Gott liebt dich“, sagte der Pfarrer.

Marie Rosenzweig

Zur Sache

Heutzutage herausgefordert

Mit aktuellen sozialen Herausforderungen befassten sich die Teilnehmer in Workshops. Dabei ging es unter anderem um die Kinder- und Jugendhilfe, die Qualifizierung Jugendlicher und die Pflege. Auch die Armut in der Wohlstandsgesellschaft sowie Arbeitsverdichtung und Burnout als Herausforderungen in der Arbeitswelt waren Themen. (mw)

Stichwort

Ketteler-Preis und -Stiftung

Die Wilhelm Emmanuel von Ketteler-Stiftung vergibt seit 2005 gemeinsam mit dem Diözesan-Caritasverband den Kettelerpreis. Er zeichnet Personen, Teams und Initiativen aus, die die diakonische Dimension der Seelsorge stärken und die Kooperation von Seelsorge und Caritas fördern.

Info: www.ketteler-stiftung.de

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