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Religion heißt „Pause machen“
24.04.11

Religion heißt „Pause machen“

Immer mehr Menschen brennen aus: Neue pastorale Richtlinie hat Burnout-Syndrom zum Thema

 

Ausgabe 17 vom 24. April 2011

Die Tasse Kaffee am Arbeitsplatz – Aufputschmittel oder Einladung zur kurzen Unterbrechung? Foto: kna-bild

Pfarrer Winfried Hommel, Leiter des Instituts für Geistliche Begleitung in Mainz Foto: privat

30 Seiten lang beschäftigt sich die Richtlinie Nr. 17 mit dem Burnout (Ausbrennen), um kirchliche Mitarbeiter darauf aufmerksam zu machen. Pfarrer Winfried Hommel hat an dem Papier mitgewirkt. Als Leiter des Instituts für Geistliche Begleitung bekommt er es immer öfter mit erschöpften Menschen zu tun.

Kardinal Karl Lehmann schreibt im Vorwort der Richtlinie, dass das Phänomen im Bistum Mainz in allen Arbeitsfeldern zu finden ist. Denken Sie, dass Mitarbeiter der katholischen Kirche besonders gefährdet sind?

Sicher sind Mitarbeiter im kirchlichen Dienst nicht mehr oder weniger gefährdet als Menschen in anderen Arbeitsverhältnissen. Allerdings gibt es im pastoralen Dienst und bei der Caritas glücklicherweise noch viele hoch motivierte Mitarbeiter, die durch ihr Engagement besonders gefährdet sind. Besonders wo Menschen mit anderen Menschen und deren Notlagen zu tun haben, kann es zum Ausbrennen und zur totalen Erschöpfung kommen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe, dass Burnout immer öfter festgestellt wird?

Burnout passiert nicht von eben auf jetzt, sondern ist ein schleichender Prozess. Hier wirken die persönliche Biografie, erlernte Verhaltensmuster, aber auch die Kultur einer Organisa-tion ineinander.

Im pastoralen Dienst gelten besonders Idealbilder als Burnout-Verursacher, die die Berufswahl bestimmen und von der Realität eingeholt werden. Dazu gehören hohe Erwartungen an sich selbst und Erwartungen der Menschen, zu denen die Mitarbeiter gesandt werden. Erwartungen und Ideale treffen allerdings auf eine Realität, die geprägt ist von immer weniger Personal und gleichzeitig von einem schwindenden Interesse an Kirche und ihrem Angebot. Die Situation, in einem Unternehmen zu arbeiten, das immer mehr von Sparzwängen und Bedeutungsverlust geprägt ist, lässt die eigene Motivation nach anfänglichem Aufbäumen und Hoffen auf eine Wende bei vielen sinken.

Das führt zu immer weniger Erfolgserlebnissen und zu einer oft tiefen Sinnkrise. Im Bereich der Caritas, besonders der pflegenden und dienstleistenden Berufe, spielen Arbeitsverdichtung, Personalmangel und erhöhter Zeitdruck eine bedeutende Rolle. Das ursprüngliche Motiv, bei „Caritas“ zu arbeiten, weil dies eine christliche, kirchliche Institution ist und ich hier meine Ideale im Umgang mit Menschen verwirklichen kann, wird bei vielen immer öfter enttäuscht. Eine wichtige Rolle spielen auch Probleme innerhalb der Organisation, wie leitungs- und kommunikationsunfähige Vorgesetzte, unklare Aufträge und wenig Achtung der Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter innerhalb ihres Berufsfeldes.

Wie kann der christliche Glaube als Stütze dienen, um aus so einer Krise herauszukommen oder ihr vorzubeugen?

Eine der kürzesten Definitionen von Religion ist: Unterbrechung. Unterbrechung und Innehalten und dadurch einen Abstand zu gewinnen von der Vorstellung einer Allzuständigkeit, eines Alleinverantwortlichseins oder gar einer Allmachtsphantasie, die mich als Menschen nur überfordern, mich unmenschlich werden lassen im Umgang mit mir selbst und mit anderen.

In der Schrift heißt es: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Das Vertrauen in Gott, seine Anwesenheit und Begleitung, kann mich lehren, mich selbst ernst zu nehmen mit meinen Grenzen. Ohne die Hände untätig in den Schoß zu legen, darf ich glauben, dass die letzte Verantwortung für die Menschen und seine Kirche bei Gott selbst liegt. Ignatius von Loyola: „Vertraue so auf Gott, als ob der Erfolg der Dinge ganz von dir, nicht von Gott abhinge; wende dennoch dabei alle Mühe so an, als ob du nichts, Gott allein alles tun werde.“

Was erfahren Sie in der Geistlichen Begleitung?

Das Thema Erschöpfung kommt direkt oder indirekt immer häufiger in den Gesprächen vor. Meist verbunden mit konkreten belastenden Situationen oder gar der grundsätzlichen Frage nach dem Sinn meines beruflichen Handelns. Diese Fragen betreffen dann nicht nur den Menschen in der Rolle als Pfarrer, Gemeindereferentin, Krankenschwester oder Abteilungsleiter, sondern berühren tiefere Schichten seines Selbstbilds. Werde ich noch gebraucht, ist meine Arbeit sinnvoll, stimmt mein Lebensentwurf… In der Geistlichen Begleitung geben wir Gelegenheit, sich an diese Fragen heranzuwagen. Wir stärken den Impuls, das Alltagskarussell zu unterbrechen und so zur Ruhe und Besinnung zu kommen.

Vor allem weiten wir den Blick, dass es bei dem Thema nicht um ein persönliches Versagen geht, sondern um ein komplexes Geschehen. So schauen wir miteinander nach notwendigen Schritten, die eine Veränderung der Situation ermöglichen. Geistliche Begleitung nimmt den ganzen Menschen in den Blick und fragt nach seinem Heil.

Es ist der Eindruck entstanden, dass Burnout nur Führungskräfte triff. Aber sind nicht Menschen auf unteren Hierarchiestufen genauso oder sogar viel mehr gefährdet, da sie weniger Möglichkeiten haben, Stress zu kompensieren?

Tatsächlich sind die Menschen in allen Berufssparten und Hierarchiestufen von Burnout gefährdet und Erfahrung zeigt dies auch. Das Bewusstsein dafür ist möglicherweise unterschiedlich ausgeprägt. Während die einen schneller die Erschöpfung wahrnehmen und sich zum Beispiel krankschreiben lassen oder eine Auszeit nehmen, meinen die anderen, es gehöre zur notwendigen Selbstdarstellung oder es werde von ihnen erwartet, an der persönlichen Grenze zu arbeiten und darüber hinaus.

Was sind die praktischen Konsequenzen der Richtlinie?

Mit der Richtlinie wird das Thema Burnout im Raum der Seelsorge und Caritas aus einem gewissen Tabu geholt. Es wird anerkannt, dass es sich dabei nicht um ein persönliches Versagen handelt, sondern es vielmehr ein Zusammenspiel verschiedenster Ursachen ist, wie der persönlichen Veranlagung, aber auch struktureller und organisatorischer Ursachen. Die Mitarbeiter erhalten mit der Richtlinie Hinweise, um möglichst früh Symptome zu erkennen. Sie bekommen aber auch Unterstützung, indem sie sich an ihre Mitarbeitervertretungen (MAVen), oder die Hauptamtlichen sich an das „Institut für Geistliche Begleitung“ wenden können. Vorgesetzte werden zu einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber den Ursachen von Erschöpfung und Burnout angehalten. Eine besondere Rolle spielt für diese auch die Reflexion ihres eigenen Führungs- und Leitungsstils. In diesem Jahr sind noch eine Reihe von Fortbildungen für MAVen und Leitungsverantwortliche geplant, so dass zu hoffen ist, dass die Richtlinie nicht nur Papier bleibt.

Wann sollen Maßnahmen greifen? Präventiv oder erst, wenn Burnout diagnostiziert wurde?

Natürlich muss es für beide Situationen Hilfen und Maßnahmen geben. Wie die Broschüre ausführt, ist es bei auftretenden Symptomen möglich, die MAVen oder das Institut zu kontaktieren, um die nächsten Schritte zu klären. Gegebenenfalls ist eine Supervision der nächste Schritt und /oder ärztliche Hilfe. Im Rahmen der Prävention sind besonders die Veranstaltungen des „Instituts für Geistliche Begleitung von Hauptamtlichen in Seelsorge und Caritas“ zu nennen wie auch ausgewiesene Veranstaltungen der Abteilung Fortbildung. Darüber hinaus vermitteln beide Einrichtungen weitere Hilfen.

Welches Bibelwort geben Sie erschöpften Menschen mit auf den Weg?

Kohelet 3,1 „Alles hat seine Zeit“ und Matthäus 6, 25 bis 33 „Sorgt euch nicht um euer Leben“.

Fragen: Anja Weiffen

Stichwort

Burnout

Der Begriff Burnout bezeichnet in Literatur und Medien den Prozess des Ausbrennens über Monate und Jahre, zudem den (End-)Zustand von totaler Erschöpfung. Dann oft mit dem Zusatz „Syndrom“, da es sich um eine Vielzahl von Symptomen handelt. Dabei ist Burnout nicht einfach als Folge von Stress zu verstehen, sondern vielmehr als die Konsequenz von dauerhaft unbewältigbarem Stress. Die neuere Forschung belegt, dass nicht nur die Seele, sondern auch in gefährlichem Ausmaß Immunsystem, Herz, Organe und das Gefäßsystem Schaden nehmen. (aus: Richtlinie Nr. 17)

Zur Sache

Richtlinie Nr. 17

Die vom Bistum herausgegebene Richtlinie Nr. 17, die als Broschüre vorliegt, soll solide über das Phänomen „Burnout“ informieren. Sie stellt Vorbeugungsmaßnahmen vor und erläutert, wie Menschen, die ausgebrannt sind, geholfen werden kann. Anregungen, um die psychische Gesundheit zu fördern, finden sich ebenso in der Broschüre wie ein Fragebogen zum Selbsttest. Darüber hinaus bietet das Papier Adressen von Kliniken und Literaturempfehlungen. Die Richtlinie kann im Internet auf www.bistummainz.de heruntergeladen werden. Infos: Personaldezernat, Telefon 0 61 31 / 25 34 06

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