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„Warum wollt ihr uns abschaffen?“
07.11.10

„Warum wollt ihr uns abschaffen?“

Bischof Algermissen lädt ein: Akademieabend mit Ärzten zu vorgeburtlichen Untersuchungen

 

Ausgabe 45 vom 7. November

Sucht das Gespräch mit Ärztinnen und Ärzten: Bischof Heinz Josef Algermissen (dritter von links) beim Akademieabend im Bonifatiushaus. Fotos (2): Hans-Joachim Stoehr

Referenten des Akademieabends: der Frauenarzt Professor Hermann Hepp und der Moraltheologe Professor Peter Schallenberg (von links).

Fulda (st). „Die Wahrheit ist, dass sich der Embryo als Mensch und nicht etwa nur zum Menschen entwickelt.“ Bischof Heinz Josef Algermissen hat Ärztinnen und Ärzte zu einem Akademieabend im Bonifatiushaus eingeladen.Im Mittelpunkt stand die Präimplantationsdiagnostik. 40 Mediziner kamen.

Bischof Algermissen kritisierte die rechtliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID, siehe „Stichwort“). „Diagnostische Verfahren wurden früher angewandt, um Menschen zu heilen – diese dient auch dazu, Menschen zu töten.“ Dadurch werde die Auswahl kranker und behinderter Kinder erleichtert, so der Bischof beim Akademieabend. Algermissen betonte in seinem Grußwort: „Die faktische Zulassung der PID wird die Mentalität fördern, Leben auszuwählen statt zu wählen.“

„Ein Schwangerschaftsabbruch wird als Therapie gesehen. Aber nicht im Sinne des Heilens, sondern des Tötens“, teilte der Hauptreferent des Abends, Professor Hermann Hepp, die Befürchtung des Fuldaer Bischofs. Hepp war vor Eintritt in den Ruhestand Direktor der Frauenklinik Großhadern der Universität München.

Der Frauenarzt betonte, jede Vorsorgeuntersuchung bei einer Schwangerschaft sei bereits eine Pränataldiagnostik. Er machte deutlich, dass die vorgeburtliche Untersuchung Vorzüge habe, aber auch Risiken. Der Frauenarzt verglich dies mit dem „Januskopf“ der römischen Sage. So fördere etwa eine Ultraschalluntersuchung die Mutter-Kind-Beziehung, da die Schwangere bereits das Kind in einem Stadium sehen kann, in dem es noch nicht „hörbar“ auf sich aufmerksam macht. Auch könne eine eventuelle Fehlbildung früh erkannt und bereits eine Behandlung überlegt werden.

Fast alle Embryos mit Down-Syndrom abgetrieben

Das Erkennen einer möglichen Behinderung führe zu einem „negativen Aspekt“ der vorgeburtlichen Untersuchungen, so Hepp. Er nannte eine Zahl: 96 Prozent der menschlichen Embryos, bei denen ein so genanntes Down-Syndrom festgestellt wurde, wurden abgetrieben. Eine Ärztin aus dem Publikum berichtete von einem Mann mit Down-Syndrom, der sagte: „Menschen wie ich tun niemandem etwas zuleide. Wa-rum wollt ihr uns nicht leben lassen und stattdessen abschaffen.“

Ärzte sind immer öfter mit dem „Anspruch“ von Eltern konfrontiert, ihr Kind müsse gesund sein, beobachtet Hepp. Ein behindertes Kind werde als „Schaden“ gesehen, für den ein Arzt verantwortlich gemacht wird. Nicht nur behinderte Kinder werden ausgesondert. In Großbritannien sei es erlaubt, bei der PID nach Geschlecht auszuwählen. Nicht gewünschte Embryonen würden getötet. In Deutschland sei dies verboten – zu Recht, so Hepp. Der Gesetzgeber müsse „das enorme Missbrauchspotenzial der PID eingrenzen“. Der Mediziner warnte eindringlich vor einem Dammbruch zur „Eugenik“ hin, was bedeute, dass es „Kinder nach Maß“ gebe.

Mehrfach sprach Professor Hepp von einem „ethischen Dilemma“, in dem Ärzte stecken. So sei die Tötung eines Kindes nach der Geburt eine strafbare Handlung. Werde ein Kind indes vor der Geburt durch Abtreibung getötet, sei dies rechtswidrig, aber straffrei. Für religiöse Ärzte, die sich der Kirche verbunden fühlten, bedeute dies: „Wir brauchen in diesem Dilemma seelsorglichen Beistand.“ Er warnte davor, der Einsatz für das Leben könne „erlahmen“. Dies aber habe Konsequenzen – etwa für das Lebensrecht älterer und schwacher Menschen.

Hepp beobachtet, dass in der Gesellschaft kaum eine ethische Diskussion zur Präimplantationsdiagnostik und anderen vorgeburtlichen Untersuchungen stattfindet. Vielmehr werde ein „Recht auf Abbruch der Schwangerschaft“ eingefordert, die Ärzte seien hierfür die „Serviceleister“. Was das bedeutet, machte Hepp am Beispiel von Frühgeburten deutlich. Bereits ab der 24. Woche der Schwangerschaft könne die heutige Medizin das Leben eines solchen Kindes retten. Bei Frauen, die sich für eine Spätabtreibung ebenfalls um die 24. Woche entscheiden, werde das bereits lebensfähige Kind getötet.

„Ich sehe, in welcher Zerreißprobe Sie sich befinden“, sagte Bischof Algermissen an Hepp gewandt. Deutlich kritisierte er indes Politiker, die auf dem Standpunkt stünden: am besten sei, was am meisten nutzt. „Das ist unethisch.“

Der frühere Fuldaer Moraltheologe Professor Peter Schallenberg (Paderborn) erinnerte in seinem Vortrag an das Naturrecht. Danach sei jeder Mensch ein würdebegabtes Wesen. Der Staat ahnde zwar eine Abtreibung, zu der sich eine Frau eigenverantwortlich entschieden habe, nicht strafrechtlich. Die Kirche, für die menschliches Leben mit der Empfängnis beginnt, lehne aber die Tötung eines Kindes in jeder Phase seines Lebens ab.

Wunsch an Ärzte: Handelt ethisch – nicht nur technisch

Zur Tötung von Embryonen nach einer PID sagte Professor Schallenberg: „Die Tötung eines Kindes in der Schwangerschaft gemäß Paragraf 218 ist ein Übel. Ein Kind zu zeugen, dann diagnostizieren lassen, ob es gesund ist, und dann zu entscheiden, es abzutreiben, ist ein noch größeres Übel.“ Die Ärzte seien keine Seelsorger. Er wünschte aber, „dass sie ethisch, nicht nur technisch handeln“.

„Das war ein Abend, der weitergeführt hat, aufklärerisch war“ zog Bischof Algermissen ein Resümee.

Stichwort

Präimplantationsdiagnostik

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine vorgeburtliche Untersuchungsmethode. Dabei werden im Rahmen der Reagenzglas-Befruchtung, der sogenannten In-vitro-Fertilisation, befruchtete Eizellen außerhalb des Mutterleibes auf genetische Fehler untersucht und geschädigte Embryonen vernichtet.

Das erste im Reagenzglas gezeugte Kind, das einer solchen Diagnose unterzogen wurde, kam 1990 in den USA zur Welt. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Rechtslage unterschiedlich. In Deutschland galt die PID bis zum Sommer 2010 nach gän-giger Rechtsauslegung als verboten. Anfang Juli entschied jedoch der Bundesgerichtshof, dass Gentests an Embryonen nicht dem Embryonenschutz-gesetz widersprechen und damit erlaubt sind.

Kritisiert wird die PID unter anderen von der katholischen Kirche und der Bundesärztekammer. Sie befürchten, dass PID zu einer neuen Form der genetischen Auswahl und zu einer sinkenden Bereitschaft der Gesellschaft führt, behinderte Kinder zu akzeptieren. Sie haben zudem die Sorge, dass künftig mit Hilfe der neuen Technik nicht nur Krankheiten erkannt, sondern Embryonen auch gezielt genetisch manipuliert werden, um „Kinder nach Maß“ zu schaffen.

Befürworter der Präimplantationsdiagnostik halten die PID für weit „schonender“ als eine spätere Abtreibung. Sie kritisieren zudem, das deutsche Recht erlaube weithin Schwangerschaftsabbrüche bei Behinderung eines Kindes, verbiete aber die im weit früheren Stadium durch-geführte PID. (kn

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