Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
 Startseite -  Verlag -  Stellenangebote -  Inhalt -  Impressum -  Kontakt 
Auf Nähe und Distanz achten
04.07.10

Auf Nähe und Distanz achten

200 Religionslehrer und Katecheten treffen sich – Boschki: Offener Umgang mit Sexualität nötig

 

Ausgabe 27 vom 4. Juli

Tag des Nachdenkens: Beim Katechetentreffen im Fuldaer Dompfarrzentrum war Zeit für den Austausch. Fotos (3): Uli Beinhauer

Professor Reinhold Boschki

Gruppenfoto im Garten der Domdechanei: Bischof Algermissen hat 38 Lehrern die Missio canonica erteilt.

Fulda (st). „Ich stehe an deiner Seite. Aber ich will nichts von dir.“ Diese Verhaltensregel gegenüber Schülern empfahl Professor Reinhold Boschki Religionslehrern. 200 Pädagogen und Katecheten trafen sich in Fulda zum Tag der Katechese. Ein Thema: sexuelle Übergriffe von Menschen in der Kirche.

„Dies ist ein Tag des Nachdenkens, der uns begründet Mut machen will“, betonte Bischof Heinz Josef Algermissen in seinem Grußwort beim Tag der Katechese. Zu dem Treffen hatte der Deutsche Katecheten- Verein mit der Schulabteilung des Bistums eingeladen. Der Bischof dankte den Religionslehrern für ihre Arbeit, „die nicht leichter geworden ist“. Religionslehrer müssten in den vergangenen Monaten angesichts der Missbrauchsfälle in der Kirche in Lehrer- und Klassenzimmern Rede und Antwort stehen. Sie seien „vor Ort“ Vertreter einer Kirche, die der Lüge und Scheinheiligkeit bezichtigt werde. „Auch Sie quälen sich ab mit der Frage: Wie sage ich etwas, ohne dass es gleich wieder Lüge ist“, so Algermissen.

„Ich bin auch dagegen. Eine solche Antwort eines Lehrers auf eine Schülerfrage nach sexuellem Missbrauch ist unqualifiziert.“ Dies betonte Professor Boschki (Bonn) in seinem Vortrag. Religionslehrer, aber auch Katecheten und andere Mitarbeiter in Kirchengemeinden müssten sich mit dem Thema befassen.

„Brauchen eine Kultur der Achtsamkeit“

„Wir brauchen eine Kultur der Achtsamkeit“, verwies Boschki auf den Theologen und Psychotherapeuten Wunibald Müller. So sei es nötig, offen und unverkrampft mit Sexualität umzugehen. Dass sich Katholiken damit schwertun, nannte der Referent eine „Schwäche der Kirche“. Dies bedeute allerdings nicht, ständig über Sexualität reden zu müssen.

„In der Gemeinde wird mehr über die Fälle von sexuellem Missbrauch gesprochen als in der Schule“, beobachtet Gemeindereferent Jürgen Günst. Er gibt im nordhessischen Wolfhagen an einer staatlichen Schule Religionsunterricht. In den Klassen fünf bis zehn sei das Thema Missbrauch bei den Schülern „weit weg“. In dem „säkularen Umfeld“ der Schule spiele die katholische Kirche „keine bedeutende Rolle“. Anders sieht es in der Kirchengemeinde aus. Vor allem bei Menschen des mittleren Lebensalters seien die Berichte über sexuellen Missbrauch durch Geistliche ein Thema. „Da stelle ich eine große Trauer fest, dass die Kirche so beschädigt wird“, so Günst.

„Für viele Schüler sind die Berichte über Missbrauchsfälle kein Thema – auch in der Oberstufe. Ich musste sie darauf ansprechen“, sagt Christoph Hartmann. Er unterrichtet Religion am Freiherr- vom-Stein-Gymnasium in Fulda. Mit seiner Kollegin Fabienne Fußenegger von der Wernher- von-Braun-Schule Neuhof ist er sich einig: „Wir haben uns viel mehr Gedanken gemacht. Andere im Lehrerkollegium haben das Thema Missbrauch nicht so wahrgenommen.“

Intimsphäre der Schüler respektieren

„Missbrauch ist immer dort eine Gefahr, wo Abhängigkeiten bestehen, wo es ein Gefälle in einer Beziehung gibt“, sagte Professor Boschki in seinem Vortrag. Deshalb müssten Lehrer, aber auch andere Personen, „auf das rechte Maß von Nähe und Distanz achten“. Das heiße praktisch: „Ich habe nie versucht, einen Schüler oder eine Schülerin zu umarmen. Spätestens ab der Pubertät sollte es keine Berührung geben. Dies gebietet der Respekt vor der Intimsphäre.“ Der Pädagoge betonte, dass es auch bei Einhalten einer solchen Grenze „Nähe“ geben könne. Man könne dem Schüler mit Worten und Gesten klar machen: „Ich halte zu dir. Aber ich respektiere die von dir gesetzte Grenze.“

Religionslehrer haben die Aufgabe, Schüler „in Beziehung zu Gott zu bringen“. Christentum und Judentum seien „Beziehungsreligionen“. „Dass Gott selbst Mensch wird, ist die größte Beziehungsgeschichte der Welt“, so Boschki. Er fügt hinzu: „Wir wollen Kinder zu Menschen erziehen, die ihren Weg mit Gott gehen – aber nicht, weil die Eltern oder die Kirche das so wollen, sondern sie selbst sich dafür entschieden haben.“ Das setze voraus, dass sie wissen, wer Jesus war und was die Bibel über ihn sagt.

Zum religiösen Wissen zählt auch die Entstehung und Geschichte des Christentums. Mit dessen Wurzeln in Fulda befasste sich am Nachmittag des Tags der Katechese eine Gruppe von Religionslehrern. Sie schauten auf den Straßen und Plätzen nach christlichen Zeugnissen. Am Bonifatiusdenkmal oder an der Figurengruppe auf dem Borgiasplatz könne man den Blick der Kinder öffnen für die Gestalten, die die Anfänge Fuldas prägten, erklärt Marlis Felber. Die Mitarbeiterin der Schulabteilung leitete den Arbeitskreis. Auf dem Borgiasplatz stehen die Statuen von Bonifatius, Benedikt und Sturmius. Weitere Stationen des Rundgangs waren der Dom und die Michaelskirche.

Ein weiterer Arbeitskreis befasste sich mit biblischen Heilungsgeschichten. „Uns wurde deutlich: Wo Gottes Kraft einen Menschen erreicht, beginnt der Heilungsprozess für alle“, erklärt Alexandra Pinkert (Freigericht), eine der Teilnehmerinnen.

Zum Abschluss des Tags der Katechese feierte Bischof Algermissen mit den Teilnehmern im Dom einen Gottesdienst. Dabei überreichte er 38 Lehrern die „Missio canonica“ (kirchliche Lehrbefugnis) zum Erteilen des Religionsunterrichts (siehe „Hintergrund“).

Zitiert

„Manchmal schaue ich an einem Tag öfter in meinen Terminkalender als in die Heilige Schrift. Das ist ein Armutszeugnis für einen Theologieprofessor.“ „Das Beste am Religionsunterricht ist nicht durch Standards und Kompetenzen zu erfassen.“
Professor Reinhold Boschki

Hintergrund

Wie einst Prophet Elias: Gott stärkt erschöpfte Religionslehrer

„Die Bibel kennt unsere Krankheiten und weiß auch Rat.“ Dies sagte Bischof Heinz Josef Algermissen bei einem Gottesdienst im Fuldaer Dom zum Tag der Katechese. Bei der Eucharistiefeier erteilte er 36 Religionslehrerinnen und zwei Religionslehrern aus der Diözese die „Missio canonica“.

Der Bischof erinnerte an den Propheten Elias, der in die Wüste flieht und seinen Dienst satt hat, sich den Tod wünschte. Heute werde ein solcher Mensch, der von physischer Erschöpfung, Überdruss und innerer Lähmung gezeichnet sei, „ausgebrannt“ genannt („Burn-out-Syndrom“). Algermissen betonte, dass dies oft in pädagogischen Berufen vorkomme. Besonders betroffen seien die engagierten Menschen mit hohem Idealismus, die durch Überlastung und Rückschläge oft in tiefste Depression fielen. Ihr inneres Feuer habe sie selbst erfasst und verzehre sie, so dass oft nur noch eine ausgehöhlte Fassade übrig bleibe.

Gott will aber, dass „wir das Leben in Fülle haben“, sagte der Bischof. Zu Elias werde ein Engel gesandt, um ihn mit Essen und Trinken zu stärken. Dadurch habe Elias Kräfte sammeln können für den weiten Weg, den er noch vor sich gehabt habe. Diese Geschichte übermittle eine Botschaft des Trostes und der Hoffnung, erinnerte Algermissen, und dies gelte auch für durch ihr Engagement erschöpfte Religionslehrer. „Gott arbeitet mit großer Geduld an einem neuen Aufbruch“, so der Bischof.

Ihr Draht zu uns

Redaktion

Vor dem Peterstor 2
36037 Fulda
Tel. 0661 / 9724-0
Fax 0661 / 79652
Mail: fulda@kirchenzeitung.de

Abonnenten

Tel. 06431 / 9113-24
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: vertrieb@kirchenzeitung.de

Anzeigen

Tel. 06431 / 9113-22
Fax. 06431 / 9113-37
Mail: anzeigen@kirchenzeitung.de