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Eine Schnupfennase muss tanzen
27.03.11

Eine Schnupfennase muss tanzen

Passionsspiel Salmünster beeindruckt Schirmherrn Weihbischof Diez – Monatelang geprobt

 

Ausgabe 13 vom 27. März 2011

Quintilius und Pilatus (oben, von links) warten auf das Urteil des Volks. Die Menge fordert: „Kreuzige ihn!“ Fotos (3): Wetter

Im Pfarrheim: Regisseurin aria Huhn (links) gibt letzte Anweisungen.

Rita Hofmann leistet Kopfarbeit.

Von Ann-Kathrin Wetter

Sockenlos in Birkenstock oder barfuß bringen sie die Leidensgeschichte Jesu auf die Holzbühne ihrer Pfarrkirche. Etwa 150 Kinder, Jugendliche und Erwachsene wirken mit bei den Passionsspielen in Salmünster. Heute ist Premiere.

Noch eine gute Stunde verbleibt, bis die Aufführung beginnt. Die Fenster des Pfarrheims in Salmünster sind hell erleuchtet, drinnen herrscht der Ausnahmezustand. Im Flur steht ein Bügelbrett, Frauen in langen, bunten Gewändern eilen die Treppe in den zweiten Stock hinauf.

Im Erdgeschoss des Pfarrheims: Ein Römerlager

Im größten Raum im Erdgeschoss drängen sich Jugendliche in ockerfarbenen Soldatenkostümen. Auf den Tischen, in der Mitte des Raumes zusammengeschoben, stehen Nähmaschinen, auf dem Fußboden stapeln sich Schneidermaterial, Jacken und Turnschuhe. „Hier ist das Römerlager“, erklärt Florian Ronge. Er sei einer der Besatzer, die im Passionsspiel den Anhängern Jesu das Leben schwer machen werden. „Wir sind zwölf, das heißt, auf jeden von uns kommt ein Jünger“, sagt der 22-jährige Student der Sozialpädagogik.

Rechts, neben dem großen Tisch, wirkt Rita Hofmann. Sie ist damit beschäftigt, einem Römer eine orangene, turbanartige Kopfbedeckung zu wickeln. In diesem Jahr sei sie für die Kostüme verantwortlich. „Seit letztem Oktober haben wir geplant und sind losgezogen, um Stoffe zu suchen“, so die 54-Jährige aus Ahl, einem Stadtteil Salmünsters. Trotz der langen Vorbereitungszeit sei es kurz vor der Premiere noch hektisch geworden. Sie musste eine Nachtschicht einlegen. „Gestern war ich bis um halb drei hier im Pfarrheim und habe Vorhänge genäht, damit die Zuschauer in der Kirche den Zug nicht so spüren, wenn die Tür geöffnet wird.“

Ob sie an diesem Abend auf der Bühne steht, um im Volk mitzuspielen, weiß sie noch nicht. „Ich würde gern mitspielen, aber während der Aufführung muss auch im Hintergrund einiges getan werden.“ Sie wird wohl beim Kostümwechsel der Römer und der Tempelwachen gebraucht.

Zwischen den Soldaten schlendert Eva Neumann durch den Raum und lutscht ein Halsbonbon. Mit beiden Händen umfasst sie eine Tasse. „Rooibos-Vanille-Tee mit Honig“, flüstert sie kaum vernehmlich. Sie stellt die dampfende Tasse ab und holt einen kleinen Block aus ihrer Tasche. Die 18-Jährige blättert kurz, bis sie die richtige Stelle gefunden hat. Dann zeigt sie mit dem Finger auf ein paar von ihr geschriebene Wörter. „Sprechverbot, bis 22 Uhr.“ Dennoch schafft sie es nicht, zu schweigen. Sie flüstert: „Schnupfen seit Dienstag, keine Stimme seit Donnerstag – und ich habe keinen Ersatzspieler für heute Abend.“

Rita Hofmann eilt ihr zur Seite und erzählt, dass Eva eine Tempeltänzerin am jüdischen Hof spielt. Sie müsse zwar hauptsächlich tanzen, habe aber dennoch ein paar Sätze zu sagen.

Diez: Begeisterung der jungen Leute berührt

Während im Pfarrheim die letzten Vorbereitungen getroffen werden, weilen die Ehrengäste noch im Schleifrashof. Nach dem Pontifikalamt, das in der Pfarrkirche St. Peter und Paul gefeiert wurde, haben sie sich in dem historischen Gemäuer zu einem Empfang eingefunden. Unter ihnen ist auch Weihbischof Karlheinz Diez, der Schirmherr der Passionsspiele Salmünster.

Er sei „tief beeindruckt“ von dem Einsatz der Spieler, sagt Diez. Besonders die Begeisterung der jungen Leute habe ihn berührt. Die Passionsspiele seien eine moderne Form, das Evangelium zu verkünden und böten die Chance, andere Menschen zu erreichen. „Ich freue mich sehr darüber, dass ich die Schirmherrschaft übernehmen durfte“, sagt er.

20.15 Uhr. In einem schwarzen Cocktailkleid tritt Maria Huhn ins Scheinwerferlicht. Vier Stufen führen auf die Bühne, die fast den Altarraum der Kirche ausfüllt. Im Licht glitzern die Steine der Halskette der jungen Frau. Die 24-Jährige ist Volontärin bei der Gelnhäuser Neuen Zeitung. Als Germanistin hat sie den Text für diese Passionssaison geschrieben und Regie geführt. Seit acht Monaten hat sie mit den Darstellern zusammengearbeitet. Jetzt gibt sie den Startschuss für die 13. Spielsaison der Passionsspiele Salmünster.

Die Früchte der Proben der vergangenen Wochen werden in der vierstündigen Spielzeit sichtbar – und spürbar. Beim Einzug nach Jerusalem streifen die langen Palmzweige die Köpfe der Zuschauer. Und wenn die Rufe „Kreuzige ihn“ von etwa 70 Darstellern die barocke Klosterkirche erfüllen, scheint das Geschehen des Mensch gewordenen Gottes in greifbare Nähe gerückt. Als kurz nach Mitternacht das Licht wieder eingeschaltet ist und der Applaus verklungen, verharrt mancher Gast noch kurz auf seinem Platz.

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt steht die erkältete Tempeltänzerin Eva Neumann vor der Kirche, eingehüllt in ein langes, grünes Gewand. Sie friert. Für diesen Passionsspielabend hat ihre Stimme „geradeso gereicht“, meint sie. Nun hat sie bis zur Vorstellung am Freitag Zeit, sich auszukurieren.

Hintergrund

Zu klein, um hinten zu stehen

Der Regisseurin Maria Huhn hat die Arbeit mit den Darstellern gefallen: „Es bereitet ganz viel Freude, sich gemeinsam mit so vielen verschiedenen Menschen mit der Geschichte Jesu auseinanderzusetzen.“ Spannend finde sie vor allem, dass mehrere Generationen an den Passionsspielen beteiligt sind. „Von drei bis 86 Jahre haben wir alles dabei“, freut sich die 24-Jährige.

Die älteste Passionsspielerin der Saison ist Irmgard Galus. Die 86-Jährige wohnt in Bad Soden und ist zum zweiten Mal bei der Passion dabei. Sie spiele mit, um Zeugnis zu geben für ihren Glauben. Die Spiele seien die für sie beste denkbare Möglichkeit, erklärt sie. Aufgeregt sei sie nicht: „Ich spiele nur Volk, keine große Rolle.“ Sie wolle beim „Auftritt“ nicht gesehen werden, betont sie. Dass sie dennoch meist vorn stehen muss, stört sie aber nicht: „Ich bin zu klein, um ganz nach hinten zu rücken“, sagt sie.

Zur Sache

Bis 9. April

Weitere Aufführungen 25., 26. und 27. März sowie1., 2., 3., 8. und 9. April Eintrittspreise. Kategorie I: 16 Euro ermäßigt: 13 Euro; Kategorie II: 13 Euro ermäßigt: 10 Euro Kartenvorverkauf Telefon 0157 / 88 23 22 67 Internet: www.passion2011.de

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