Die Kirchenzeitungen für die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz
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Rucksack auf – Blick nach vorn
08.05.11

Rucksack auf – Blick nach vorn

Pilgerinnen auf der Bonifatiusroute: Entlang von Häuserwüsten und Streuobstwiesen

 

Ausgabe 19 vom 8. Mai 2011

Eine Pilgerin und zwei Rucksäcke: Mechthild Seipler bei einer Rast in der Nähe von Schöneck-Büdesheim in der Wetterau. Aufgenommen wurde das Foto von der zweiten Pilgerin, Sylvia Schäfer.

Begleitet die Wanderer: das Pilgerzeichen der Bonifatiusroute.

Ein Pilgerweg ist kein Spaziergang – das haben Sylvia Schäfer (65) aus Rasdorf und Mechthild Seipler (48) aus Mainz erfahren. Ihre Eindrücke – Freuden und Mühen – auf der Strecke von Mainz nach Fulda haben die beiden notiert.

Die Rucksäcke sind mit dem Nötigsten gepackt und wir machen uns auf den Weg. Zehn Tage lang folgen wir dem Pilgerlogo mit dem Bischofsstab. Wir sind beide noch nie über mehrere Tage gepilgert. Nach Überqueren des Rheins werfen wir einen letzten Blick zurück auf Vertrautes, Heimatliches, auf die schöne Mainzer Silhouette.

Führt dieser Perspektivwechsel auch zu neuen Einsichten? Was wird uns unterwegs begegnen? Halten wir durch? Finden wir immer den richtigen Weg? Wo werden wir uns für die Nacht einquartieren? Wir haben nichts organisiert, keine Unterkunft gebucht. Wir wollen pilgern. Das gehört für uns dazu, der Führung Gottes Vertrauen zu schenken und Fügungen zu erkennen. Tiefsitzende Ängste gilt es zuzulassen und zu überwinden, Altes zurückzulassen, täglich neu zu beginnen, den schweren Rucksack zu schultern und vorwärts zu schreiten.

Durch die sonnigen Weinberge des Rheingaus

Zunächst verläuft die Strecke durch die sonnigen Weinberge des Rheingaus und führt durch Felder und Kleingärten. Die im Pilgerführer gepriesene faszinierende Aussicht auf die Frankfurter Skyline und das Durchqueren der „netten Stadtteile“ der Mainmetropole bringen uns schon zu Beginn unserer Pilgerreise an den Rand der Verzweiflung. Wo ist unser Pilgerlogo? Offensichtlich existierten diese Siedlungen noch nicht, als der Pilgerführer entstand. Diesen Weg durchs Rhein-Main-Gebiet sollte man sich nicht antun: Häuserwüsten, Baustellen, Wege, die im Nichts enden. Wir verlaufen uns endlos, bis wir das Pilgerzeichen wieder entdecken.

Am nächsten Tag führt der Weg in eine Apotheke, um Blasenpflaster zu kaufen. Auch der Knöchel tut weh und muss bandagiert werden. Zudem schmerzen die Schultern von dem ungewohnten schweren Rucksack. Wir sind drauf und dran, alles aufzugeben. Aber ein Pilgerweg ist nun mal kein Spaziergang. Also: Zähne zusammengebissen und weiter! Nachdem die Blasen versorgt sind und das Gewicht im Rucksack anders verteilt ist, geht es etwas besser. Auch werden wir für unseren Mut bewundert von Menschen, die uns begegnen. Das stärkt ungemein, motiviert und hebt das Selbstwertgefühl.

Am vierten Tag fangen wir an, das Pilgern zu genießen. Frankfurt liegt hinter uns, und die Landschaft wird schöner: Wiesen, Wälder, leichte Hügel, kleine Ortschaften. Am Abend finden wir nette, preiswerte Unterkünfte, lassen uns ein leichtes Abendessen schmecken und sitzen noch etwas im letzten Sonnenschein. Manchmal fallen wir auch nur todmüde ins Bett und genießen die erholsamen Nachtstunden.

Am Abend des siebten Tages ziehen zum ersten Mal düstere Wolken auf und ein kalter Wind weht. Wird es Regen geben? Ich habe keine Regenbekleidung dabei. Auch am nächsten Morgen ist der Himmel noch bedeckt. Als wir gegen 13 Uhr Sichenhausen erreichen, fängt es an zu nieseln. Sichenhausen ist die letzte Ortschaft vor der Vogelsberg-Überquerung, ein winziger Flecken „am Ende der Welt“. Der Gedanke an den Aufstieg zum Vogelsberg auf 669 Meter lässt uns jetzt schon stöhnen. Es ist aber nicht so schlimm, wie wir befürchtet haben. Der Weg führt stetig, aber nicht steil bergan.

Talwärts an plätschernden Bächen entlang

Vorbei an zahlreichen Naturdenkmalen, riesigen Felsbrocken, haushoch aufgetürmten Basaltstücken, geht es talwärts an plätschernden Bächen entlang. Beim Schein der untergehenden Abendsonne erreichen wir den Kurort Hochwaldhausen. Bevor wir am nächsten Tag einen Fichtenwald durchqueren, schauen wir noch einmal zurück und nehmen Abschied vom Hohen Vogelsberg.

Die schöne Wald- und Wiesengegend müsste uns erheitern, aber heute fällt uns das Laufen sehr schwer. Anscheinend macht sich jetzt erst die Anstrengung des gestrigen Tages bemerkbar. Völlig erschöpft gelangen wir zur Mittagszeit nach Blankenau. Auf einem Grasfleckchen lassen wir uns zu Boden sinken – unter dem Bonifatiuswegschild an einer Straßenkreuzung: Rucksack von den Schultern, Schuhe aus, flachlegen. Es wird uns klar, dass wir heute nicht mehr weiter können. Auf der Sonnenterrasse einer Unterkunft erholen wir uns. Dann besichtigen wir den hübschen Ort voller Sehenswürdigkeiten. Schade, wenn wir daran vorbei gegangen wären.

Unsere letzte Mittagsrast legen wir am nächsten Tag in dem Wallfahrtsort Kleinheiligkreuz ein. Später, an der Schnepfenkapelle, haben wir unser Ziel vor Augen: Fulda. Es sieht so nah aus, aber es sind noch zehn Kilometer, die wir zu bewältigen haben.

Endlich überqueren wir die Fulda und nähern uns dem Dom. Mit gemischten Gefühlen aus Freude, Stolz, Wehmut, Glück bewegen wir uns über den breiten Vorplatz auf das Hauptportal zu. Endlich am Ziel! Nur noch hinunter in die Bonifatiusgruft und die ganze Last dem Heiligen zu Füßen legen. Bis hierher wollten wir den Rucksack schleppen als Symbol für all das, was wir – meist unnötigerweise – durchs Leben schleppen.

Wir haben etwas geschafft, wir haben durchgehalten bis zum Ziel. Die Erfahrung, sich jeden Tag wieder neu auf einen unbekannten Weg zu machen, nicht zu wissen, wo und bei wem man abends landet, und trotzdem vertrauensvoll weiter zu laufen – das gibt innere Kraft, Energie, Seelenstärke.

Diese Erfahrung ist jedem zu wünschen.

Stichwort

Bonifatiusroute

Die 180 Kilometer lange Boni-fatiusroute beginnt auf dem Leichhof in Mainz. Der Pilgerweg folgt den Spuren des Trauerzugs, der im Jahr 754 den Leichnam des Bonifatius zu seiner letzten Ruhestätte nach Fulda brachte. Die Route verläuft über Hochheim (Bistum Limburg) nördlich an Frankfurt vorbei. Durch die Wetterau (Bistum Mainz) steigt der Weg an bis auf 669 Meter im Hohen Vogelsberg. Über Grebenhain und Herbstein wird in Blankenau das Bistum Fulda erreicht. Über Kleinheiligkreuz, der letzten Rast des Trauerzugs vor der Ankunft in Fulda, führt der Weg vorbei an der Schnepfenkapelle bei Großenlüder zum Ziel: dem Bonifatiusgrab in der

Krypta des Fuldaer Doms. Internet: www.bonifatius-route.de

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