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Wahrheit hängt nicht an Mehrheiten
10.04.11

Wahrheit hängt nicht an Mehrheiten

Präimplantationsdiagnostik: Bischof Algermissen diskutiert mit Schülern des Marianums

 

Ausgabe 15 vom 10. April 2011

Richtungswechsel: Nach der Diskussion stellen sich die Podiumsteilnehmer zu einem gemeinsamen Foto auf. In der Mitte vorn sind Dr. Alfons Kraus, Michael Brand und Bischof Heinz Josef Algermissen (von links). Foto: Günter Wolf

Fulda (gw). Ist die Präimplantationsdiagnostik (PID) Segen oder Fluch? Diese Frage stellten Oberstufenschüler des Fuldaer Marianums. Es antworteten ihnen Bischof Heinz Josef Algermissen, der Bundestagsabgeordnete Michael Brand (CDU) und der Frauenarzt Dr. Alfons Kraus.

Die drei Gäste auf dem Podium waren einig in ihrer ethischen Skepsis bis zur klaren Ablehnung der vorgeburtlichen Diagnostik. Geleitet wurde die Diskussion von Johannes Reipen, Theologe und Lehrer des Marianums.

Die Schüler in der voll besetzten Aula schienen mehrheitlich von den immer wieder ins Feld geführten „positiven Möglichkeiten“ der PID nicht so überzeugt zu sein, denn eine Schülerin sagte mit Blick auf die Tatsache, dass nicht alle Embryonen eingepflanzt werden: „Sie werden doch getötet.“

Doch vollends verteufeln wollte eine Schülerin die PID nicht. „Sie haben jetzt nur die negativen Seiten angeführt. Aber es gibt doch auch gute Seiten, wenn zum Beispiel Erbgutschäden erkannt und damit künftige Krankheiten verhindert werden können. Außerdem müssten nicht benötig-te Embryonen nicht vernichtet werden, sondern könnten ja alle eingepflanzt werden“, lautete ihr Einwand. Dem hielt Bischof Algermissen entgegen: „Nicht alles, was als genetische Störung identifiziert wird, ist eine Krankheit oder muss dazu führen, dass der Mensch daran erkrankt.“ Es müsse klar sein, dass sich ein Embryo nicht zu einem Menschen, sondern sich als Mensch entwickle, so Algermissen. Christen sei jedes Leben heilig. Es dürfe daher keine Aussonderung geben zwischen gesundem, erwünschtem Leben, und kranken und damit als unwert definiertem menschlichem Leben, betonte der Oberhirte.

Andere Bezeichnung für Abtreibung

Gynäkologe Dr. Kraus zeigte auf, dass das Zeitfenster, bei dem eine PID durchgeführt werden könnte, eng gefasst sei. „Sie haben sieben Tage bis sich das Embryo in der Gebärmutter eingenistet hat, in denen Sie das machen können.“ Jedoch auf gut Glück könne eine PID nicht gemacht werden: „Man muss wissen, nach welchem Defekt gesucht werden soll.“ Bloße Verdachtsuntersuchungen, ob ein Kind grundsätzlich gesund und frei von Erbkrankheiten ist, gebe es nicht. Außerdem, so der Hinweis des Arztes: „Das Embryonenschutzgesetz in Deutschland verlangt, dass alle Embryonen eingepflanzt werden. Unterlässt der Arzt das, macht er sich strafbar. Sollte sich aber zeigen, dass sich die eingepflanzten Embryonen bei der Entwicklung behindern, kann der Arzt die Zahl der eingepflanzten Embryonen reduzieren.“ Das sei nur eine andere Bezeichnung für Abtreibung.

Gerade die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland sind für den Abgeordneten Brand „eine hohe Hürde“. Für ihn muss der Schutz des Lebens im frühestmöglichen Stadium beginnen, „nämlich mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle“, so der CDU-Parlamentarier. Deswegen will er auch für die strengste Fassung der drei vorliegenden Gesetzesentwürfe stimmen.

Auf die Frage, wie sehr Politiker von Lobbyisten beeinflusst werden, antwortete Brand: „Lobbyarbeit betreibt jede Seite, am Ende stehen dann oft Kompromisse. Es geht aber bei PID nicht um einen Kompromiss, sondern um Glaubwürdigkeit.“ Bischof Algermissen fügte mit Blick auf die Abstimmung im Bundestag hinzu: „Die Wahrheit ist nicht abhängig von Mehrheitsverhältnissen.“

Die Schüler bezweifelten die „Effizienz eines deutschen PID-Verbots“. Auch dass ein Verbot in Deutschland zu einem PID-Tourismus führen könnte, wollten Algermissen, Brand und Kraus nicht ausschließen. Dies gab es schon bei Abtreibungen, und auch bei der so genannten Sterbehilfe ist dieses Phänomen bekannt.

PID zur Geschlechtsauswahl eines Kindes

Dass die PID für die so genannte „Family Balances“ (Auswahl von Kindern nach Geschlecht) missbraucht werden kann, machte der frühere Leitende Oberarzt am Klinikum Fulda deutlich: „Dies geschieht, wenn damit eine Geschlechtswahl ohne Krankheitsgen vorgenommen wird, also die Vorherbestimmung, ob ein Junge oder ein Mädchen geboren wird. Das ist eine Methode der Familienplanung, die nur dem Embryo eine Chance zur Weiterentwicklung gibt, das dem gewünschten Bild entspricht“, so Dr. Kraus.

Es sei grundsätzlich ein gutes Anliegen, menschliches Leid zu verhindern, so Kraus. Immerhin sei das Aufgabe der Wissenschaft. Aber die PID verleite schnell zu Missbrauch, wenn sie unter dem Aspekt der Family Balances angewendet werde, befürchtet der Mediziner.

Zitiert

„Haben als Embryonen begonnen“

„Meine Sorge ist, dass nicht die Krankheiten beseitigt werden, sondern die Kranken.“

Bischof Heinz Josef Algermissen zu dem Argument, mit der PID könnten genetisch bedingte Krankheiten erkannt und ausgeschlossen werden

„Ich bin für die strengste Form des Embryonen- und Lebensschutzes – und zwar ab dem Moment der Befruchtung. Vergessen Sie nicht: Wir alle haben als Embryonen begonnen.“

Bundestagsabgeordneter Michael Brand zur bevorstehenden Entscheidung im Parlament über die PID in Deutschland

„Wer weiß denn wirklich, was aus einem Embryo wird? Das Leben hat schöne und schlechte Seiten, niemand weiß, was einen erwartet.“

Brand zu der Frage, wer das Entscheidungsrecht über das Weiterleben von Embryonen hat

„Ob Embryonen eingepflanzt werden oder nicht, das entscheidet der Arzt.“

Gynäkologe Dr. Alfons Kraus zur gleichen Frage

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