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„Wir durchlebten verrückte Zeit“
08.08.10

„Wir durchlebten verrückte Zeit“

Bund katholischer Rhönjugend in der Zeit der Wende gegründet – Arbeit wird fortgesetzt

 

Ausgabe 32 vom 8. August

1986 in der Slowakei: Junge Leute aus dem Geisaer Amt auf großer Fahrt. Foto: privat

Dieter Kiel und Madlen Jakob Fotos (4): Manuela Henkel

Hermann Schmelz und Christina Iffland

Von Manuela Henkel

Sie waren für Gerechtigkeit in der Schule und im öffentlichen Leben, wollten verdeckte Gewalt in der Gesellschaft abbauen und den rechten Umgang mit der Natur und der Schöpfung durchsetzen. Sie wollten endlich mitreden und sich einbringen können. Mit diesen Zielen gründeten katholische Jugendliche des Dekanats Geisa in der Zeit der Wende den Bund der katholischen Rhönjugend (BKRJ). Seitdem erlebte der Verein eine spannende und wechselvolle Zeit. In diesem Jahr begeht er mit einem Festgottesdienst und einem Nachmittag für die Familie sein 20-jähriges Jubiläum.

„Innerhalb der Kirche waren wir relativ frei“

Bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gründete der damalige Pfarrer von Bremen, Franz Konradi, den „Arbeitskreis Jugend“. „In diesem Kreis waren Vertreter aus allen Pfarrgemeinden des Dekanats Geisa dabei“, erinnert sich Hermann Schmelz aus Geismar. Schmelz hatte bis Mitte vergangenen Jahres die Dekanatsjugendstelle in Geisa inne und zählt zu den Gründungsmitgliedern des BKRJ. Der Arbeitskreis organisierte damals Jugendgottesdienste, Krippenspiele, Religiöse Kinderwochen sowie Jugendfreizeiten und Rhönsingetage. Politische Aktivitäten waren nicht erlaubt. „Innerhalb der Kirche waren die Jugendlichen relativ frei“, sagt Schmelz.

1982 verließ Pfarrer Konradi die Pfarrei Bremen. Nach Pfarrer Harald Reichmann übernahm 1985 Pfarrer Winfried Hesse aus Vacha den Arbeitskreis. „In dieser Zeit beteiligten sich 98 Prozent aller Jugendlichen der DDR an der Jugendweihe“, weiß Madlen Jakob aus Steinberg. Sie kam 1985 als 13-Jährige zum Arbeitskreis Jugend.

Die Jugendweihe stellte eine sozialistische Alternative zur Konfirmation dar, die mit einem Gelöbnis an den Staat verbunden war. „Die katholische Jugend in der Rhön kam deswegen in Konflikte“, erklärt Hermann Schmelz: „Weihe ich mich nun dem Staat oder Gott?“ Verweigerten die jungen Menschen die Teilnahme, mussten sie erhebliche Nachteile in Kauf nehmen, sie bekamen schlechtere Lehrstellen oder durften nicht studieren.

Auch auf die Eltern wirkte der Staat ein. „Wir Katholiken hatten es nicht einfach“, blickt Madlen Jakob zurück. „Meine Mutter musste zu ihrem Betriebsleiter, weil ich nicht an der Jugendweihe teilnehmen wollte.“ Im Arbeitskreis traf Madlen auf Gleichgesinnte. Viele katholische Jugendliche machten ähnliche Erfahrungen in der Schule, bei der Ausbildung oder in der Armee.

„Vor dieser verdeckten Gewalt hatten wir Angst“, erinnert sich Dieter Kiel aus Geismar. Als er 18-jährig gemustert wird, ist er bei seinem dritten Musterungsgespräch allein in einem großen Saal. „Vor mir saßen auf einer Tribüne die Amtsträger und wollten mich zu einem dreijährigen Wehrdienst überreden“, so Kiel. Den Wehrdienst lehnt er ab und wird mit dem Satz entlassen: „Wenn Sie nicht wollen, dann werden wir Sie erst mit 27 Jahren einziehen!“ Die meisten jungen Männer hatten in diesem Alter bereits eine Familie gegründet. Der Dienst in der Armee bedeutete: Die Soldaten kamen oft monatelang nicht Hause. Glücklicherweise kam für Dieter Kiel, wie für viele andere junge Männer, die Wende dazwischen.

„Am 10. November 1989 wurde während des Friedensgebets in Geisa ein Aufruf an alle christlichen Jugendlichen verlesen“, erzählt Hermann Schmelz. Unterschrieben war dieser Appell von zahlreichen jungen Leuten aus dem Geisaer Amt. Im Dezember fand sich eine Initiativgruppe zusammen, die nun öffentlich als Verband auftreten wollte. „Ein katholischer Verein für junge Menschen sollte gegründet werden“, so Schmelz.

Am 3. Januar 1990 wurde der Bund katholischer Rhönjugend gegründet. Vorsitzender wurde Dieter Kiel. Es gab fünf Arbeitsgruppen: die „Info-Gruppe“ sowie die Gruppen „Zeitung“, „Umwelt“, „Kontakte“ und „Gerechtigkeit“. Die Gruppe „Zeitung“ gibt für einige Zeit die Mitgliederzeitschrift „Rhöndistel“ heraus, die auch Veranstaltungshinweise für die Jugendlichen enthält. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Kontakte“ organisieren Treffen mit anderen Verbänden, etwa mit der Schülerunion, der Ackermann- Gemeinde oder der Jungen KAB. Für die Rechte der Schüler trat die Gruppe „Gerechtigkeit“ ein.

„Die Jugendlichen haben damals in der Schule einen Runden Tisch gegründet“, sagt Hermann Schmelz. Entschuldigend fügt er hinzu: „Die meisten von uns haben nur wenige Erinnerungen an diese spannende Zeit, weil alles so schnelllebig war und die Ereignisse sich überschlugen.“

„Umweltschäden waren in der DDR kein Thema“

Für besonderes Aufsehen in der Bevölkerung sorgte die „Rhön- Umwelt-Ausstellung“ am 21. und 22. April 1990 im Kulturhaus Geisa. Sie wurde von der Arbeitsgruppe Umwelt des BKRJ organisiert. „Umweltschäden waren zu DDRZeiten kein Thema“, erklärt der damalige Vorsitzende Kiel. Etwa 1000 Menschen kamen, um sich die Dokumentation über Umweltschäden in der Rhön anzusehen. Selbst in der „Hessenschau“ wurde darüber berichtet. „Es war ein tolles Gefühl von großer Freiheit, endlich etwas tun zu können“, gesteht Kiel. „Der BKRJ hatte der katholischen Dekanatsjugend endlich eine Stimme gegeben.“

16 junge Leute hatte der Verein anfangs, nach wenigen Monaten waren es bereits mehr als 100 Mitglieder. „Wir durchlebten eine verrückte Zeit der Veränderung und des Umbruchs“, so Schmelz.

Mit dem 3. Oktober 1990 und der Einführung der D-Mark änderte sich jedoch vieles. „Das Interesse für die Vereinsarbeit ging schlagartig zurück, die Menschen hatten offensichtlich andere Probleme und Interessen“, erklärt Schmelz die Situation. Die Mitgliederzahl pendelte sich bei etwa 40 ein.

Zwei Jahre später eröffnete der BKRJ in Bremen das „Cafe Kiste“. „Dort haben wir uns zum Tischtennis- und Kartenspielen, zum Reden und Musikhören getroffen“, so Madlen Jakob. Es gab auch eine BKRJ-Jugendband. Zahlreiche junge Leute spielten viele Jahre in dieser Band und gestalteten die Jugendgottesdienste. Sie werden auch heute vom Verein mitgetragen. Die Mitglieder organisieren auch die Religiösen Kinderwochen, Jugendfreizeiten oder Themenabende.

„Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass wir kein typischer Jugendverband mit einer Vereinsidentität sind“, sagt Schmelz. „Der BKRJ ist eher der Rahmen für engagierte Leute, der Jugendarbeit im Raum der Kirche ermöglicht.“ Die meisten Mitglieder sind über 40 Jahre alt. Inzwischen wurde ein Familienkreis gebildet, der das Rückgrat des BKRJ geworden ist.

„In unserer Region gibt es kaum aktive katholische Verbände“, erklärt Schmelz. „So musste der Vereinsname oft als Rechtsträger für die zahlreichen Aktivitäten herhalten.“ Im vergangenen Jahr kam dann die Frage auf: „Machen wir weiter oder lösen wir uns auf?“ In der Vollversammlung entschied man sich: Wir machen weiter. Ein neuer Vorstand wurde gewählt. Vorsitzender ist nun Lothar Rudolph aus Borsch, seine Stellvertreterin wurde Christina Iffland aus Berka/Werra. Sie kommt aus Springen, einer Pfarrfiliale von Vacha. Doch der Umzug und die Anfahrt von 45 Minuten in das Geisaer Amt hält sie nicht von der Mitarbeit ab. „Dank des BKRJ gab es für mich eine Menge Dinge, an die ich mich gern erinnere“, sagt Christina Iffland rückblickend. Bleibt abzuwarten, wie sich alles weiterentwickelt. „Ich wünsche mir, dass wir die Vereinsidentität stärken können“, so die neue Stellvertreterin. An einem Internetauftritt wird gearbeitet.

„Wir müssen weitermachen“, fasst Christina Iffland zusammen. „Wenn es keiner mehr macht, dann bricht vieles weg.“ Hermann Schmelz fügt hinzu: „Die Laienarbeit in der Kirche wird weiterhin an Bedeutung gewinnen. Ich hoffe, dass der BKRJ eine wichtige Plattform für kirchliches Engagement in unserer Region bleibt.“

Vorsitzender Lothar Rudolph Schleider
Hauptstraße 16
36419 Schleid
Telefon 03 69 67 / 5 05 93
Fax 03 69 67 / 5 05 94
Internet: www.bkrj.de E-Mail: info@bkrj.de

Termine

Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre BKRJ“ mit Abschlussfeier der Religiösen Kinderwoche

  • Samstag, 7. August ab 19 Uhr Dämmerschoppen im Pfarrgarten in Schleid
  • Sonntag, 8. August 10 Uhr Festgottesdienst in Schleid mit den „Believers“
  • 11.15 Uhr Begegnung und Begrüßung im Festzelt
  • 12 Uhr Mittagessen mit Nachwuchsband „Pink & Purple“
  • 12.30 Uhr Abschluss Religiöse Kinderwoche im Pfarrsaal
  • 13 Uhr Podiumsdiskussion „Kirche und Jugend im Wandel“
  • Ab 13.30 Uhr Kinderfest mit Kletterwand, Hüpfburg und Spielen
  • Ab 15 Uhr Kaffee und Kuchen im Festzelt
  • Es gibt eine Ausstellung zur „Geschichte der Jugendarbeit in der Rhön und des BKRJ“, einen Taizé-Raum als „Zentrum der Stille“ sowie eine Präsentation der Verbandsarbeit.

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