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Wort an die Kranken
30.01.11

Wort an die Kranken

„Davon kann ich leben“

 

Ausgabe 5 vom 30. Januar 2011

Das Engelfenster in der neuen Hauskapelle der Klinik Rotenburg. Foto: Tobias Kammerer

Johannes Wiegard Foto: privat

Liebe Leserin! Lieber Leser!Erst vor wenigen Wochen ist unsere neue Klinikkapelle mit einem ökumenischen Gottesdienst eingeweiht worden. Ein Ort, der vielen Menschen in Freude und Hoffnung, Angst und Trauer, gut tun soll. Viele Patientinnen und Patienten, Gäste und Besucher, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben inzwischen die Kapelle aufgesucht und als einen Raum der Andacht, des Gebetes und der Stille genutzt und die Gottesdienste mitgefeiert. Nicht alle kommen zum Beten herein, aber sie nutzen die Kapelle für eine Auszeit vom Klinikgetriebe, lassen den lichtdurchfluteten Raum auf sich wirken und kommen zur Ruhe.

Immer wieder treffe ich hier Menschen an, die fasziniert das Fensterfries des Künstlers Tobias Kammerer betrachten. Besonders das Engelfenster hat es vielen angetan. „Der Bote, durchdrungen von der Liebe Gottes“, symbolisiert in diesem Fensterfries die Liebe. Glaube, Hoffnung und Liebe sind in der Kapelle ins Bild gesetzt.

Gestern traf ich auf einen Patienten im Rollstuhl vor diesem Fenster. „Was hat der Engel in der Hand?“, fragte er. „Ist die Blume eine Rose?“ Einen Augenblick blieb es still. „Kennen Sie die Geschichte von Rainer Maria Rilke und der Rose?“, fragte er und begann, ohne meine Antwort abzuwarten, zu erzählen.

Der Dichter sei in Paris immer wieder an einem großen Platz an einer Bettlerin vorbeigegangen, die da, ohne jemanden anzuschauen, saß. Die Frau habe immer an der gleichen Stelle gesessen. Nie habe sie gedankt, wenn jemand ein Geldstück gab. Rilke gab ihr nie etwas. Aber seine französische Begleiterin habe ihr häufig ein Geldstück hingeworfen. Einmal habe ihn die Französin gefragt, warum er nichts gäbe. Rilke habe geantwortete: „Wir müssen ihrem Herzen geben, nicht ihrer Hand.“

Der Patient hatte jetzt Tränen in den Augen. „Und wissen Sie, was dann passierte? Rilke brachte am nächsten Tag eine frische Rose mit, legte sie in die offene Hand der Bettlerin. Und – die blickte auf, sah Rilke an, suchte nach seiner Hand, küsste sie und ging mit der Rose davon. Danach ist ihr Platz eine Woche leer geblieben“, sagte er. „Eine Woche lang hat sie von der Rose gelebt!“

Der Patient im Rollstuhl verstummte und begann zu schluchzen. Dann sagte er: „Mir ist es genauso ergangen. Nach dem Schlaganfall habe ich gedacht, jetzt ist alles aus, nichts hat mich mehr interessiert. Aber die Krankenschwestern und Ärzte haben sich so bemüht. Die haben nicht nur getan, was sein musste, sie haben mir mit so vielen liebevollen Zeichen mein Ansehen wieder gegeben. Auch meine Familie. Alle haben mein Herz beschenkt. – Davon kann ich jetzt leben.“

Liebe Kranke, liebe Leserinnen und Leser, Ihnen allen wünsche ich, dass auch Ihr Herz immer wieder einmal beschenkt wird.

Gottes Segen
Ihr Diakon Johannes Wiegard
Kur- und Klinikseelsorger
Klinik- und Kurseelsorge
Bad Hersfeld und Rotenburg
Herz- und Kreislaufzentrum
36199 Rotenburg a. d. Fulda
Telefon 0 66 23 / 88 (0) 54 68
E-Mail: j.wiegard@hkz-rotenburg.de

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