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Kunsthandwerk mit Freude am Experiment
14.08.11

Kunsthandwerk mit Freude am Experiment

Seit 1908 ist der Familienbetrieb Derix in Taunusstein „Päpstliche Hofglasmalerei“ und fertigt bis heute Kirchenfenster

 

Ausgabe 33 vom 14. August 2011

Rising – Aufsteigend: Entwurf für die Gedächtnis-Kapelle am Ground Zero in New York. Derix fertigte im Jahr 2005 die komplette Eingangsfront für die

Gedenkstätte der Anschlagsopfer vom 11. September 2001. Fotos: Glasstudio Derix

Wilhelm Derix ist heute Chef des Familienbetriebs in vierter Generation: „Es

geht mir um die aktive, fast aggressive Förderung von Kunst.“

Von Laura Neuhaus

Dix, Richter, Schreiter, Lüpertz… In der Werkstatt der Glasmanufaktur Derix in Taunusstein wird aus Fenstern Kunst gemacht.

Quietschend fährt ein Messer der Schablone nach an einem Glasstück entlang, der überschüssige Rand fällt klirrend in einen Eimer. Aus dem Hintergrund lärmt ein Schleifgerät.

Es ist laut in Derix Glasstudios, typisch für eine Werkstatt. Der Geruch von Lösungsmittel steigt in die Nase, auf einigen der großen Werkbänke stehen Becher mit angerührter Farbe und große Papierbögen, auf die Entwürfe von Kirchenfenstern gezeichnet sind. So hat diese Werkstatt am Ortseingang von Taunusstein- Wehen auch etwas von einem Künstler-Atelier. „Otto Dix, Gerhard Richter, Johannes Schreiter, Markus Lüpertz.“ Stolz nennt der Geschäftsführer Wilhelm Derix die Namen einiger großer Künstler mit denen der Betrieb zusammengearbeitet hat.

Die Künstler werden besonders hofiert

Auf Kirchenfenstern liegt der Schwerpunkt der Firma mit 65 Mitarbeitern. Zunehmend produziert Derix aber auch für weltliche Auftraggeber. Hinter „Derix Glasstudios“ verbirgt sich weit mehr als nur ein Glaslieferant. Hier wird Kunsthandwerk betrieben und deshalb werden die Künstler besonders hofiert

Direkt neben der Werkstatt gibt es firmeneigene Apartements nur für sie. So haben die Kreativen die Gelegenheit, ganz nah dabei zu sein, wenn ihre Fenster entstehen. Die Kunstglaser und Glasmaler aus der Werkstatt besprechen mit ihnen, wie sich ihr Vorhaben umsetzen lässt. Es geht um die Auswahl des Glases: Soll mundgeblasenes Antikglas oder Industrieglas verwendet werden. Auch über die genaue Farbgebung wird diskutiert. Gefärbtes Glas hat eine größere Leuchtkraft als bemaltes.

Bei Derix wird Glas geätzt, bedruckt, sandgestrahlt und vieles mehr. „Es ist immer wieder faszinierend, welche neuen Ideen die Künstler mitbringen“, findet Ursula Rothfuss, die gemeinsam mit ihrem Bruder Wilhelm Derix die Geschäfte der Firma leitet. Sie fügt hinzu: „Wir sind bekannt dafür, dass wir viel ausprobieren.“

Die Fachleute lassen sich etwas einfallen

An einer der Werkbänke scheint ein solches Experiment geglückt zu sein. Glasstücke in bunten Farben liegen passgenau wie ein Puzzle auf dem Tisch ausgebreitet. Links unten in der Ecke trägt ein Glasstück den Schriftzug „Michael Blum 2011“. Dieser Künstler hat sich für das Fenster, das eine Hospiz-Kapelle in Euskirchen schmücken soll, etwas Besonderes ausgedacht: Dreidimensional sollen sich weiße Ähren aus Glas am Fenster entlang schlängeln. Er will damit Seelen symbolisieren, die zum Licht streben. Um diese Idee umzusetzen, mussten sich die Fachleute von Derix etwas einfallen lassen. Sie fertigten geschlängelte Formen an, in die flüssiges Glas gegossen wurde. Niemand wusste vorher, ob die so entstandenen Glasstücke, wenn sie ausgehärtet sind, die vorgesehene Form behalten. Aber der Kunstglaser Erik Pfeiffer ist mit dem Ergebnis zufrieden.

Parallel zum Kunstglaser ist auch ein Glasmaler mit dem Hospiz-Fenster beschäftigt. Nach einem konzentrierten Blick auf die Vorlage malt Jonas Hentschel mit einem Pinsel langsam eine dicke Linie auf die Glasstücke. Wenn das Fenster zur Fertigstellung in den Ofen kommt, brennt sich die Farbe in das Fensterglas ein.

Die Künstler selbst haben immer die Gelegenheit, aktiv dabei zu sein. Mittags essen sie gemeinsam im Privathaus von Derix gleich nebenan, „weil meine Frau so gut kocht“, sagt der Firmenchef. So bewahrt sich der Betrieb den Charme eines Familienunternehmens, auch wenn er zu den führenden Glasmanufakturen der Welt gehört.

Zur Sache

Glanzstücke

Glaskunst aus der Werkstatt der Firma Derix ist auf der ganzen Welt zu bewundern. Einige Projekte aus jüngster Zeit:

Friedberg. Licht und Farbe brachte der britische Künstler Graham Jones 2004 in die Heilig Geist Kirche in Friedberg.

Ground Zero. Die Eingangsfront der St. Josephs-Gedächtnis- Kapelle am Ground Zero in New York wurde 2005 komplett aus Glas errichtet. Der Künstler Guy Kemper deutet darauf eine große rote Blume an. Sie soll sich symbolisch aus der Zerstörung des Terroranschlags vom 11. September 2001 erheben.

Richter-Fenster. Im Südquerhaus des Kölner Doms leuchten Quadrate in 72 verschiedenen Farbtönen. Die 11 263 mundgeblasenen Echt-Antikgläser sind nicht, wie sonst üblich, mit Bleiruten zusammengehalten, sondern mit Silikon auf eine Trägerscheibe geklebt. Der Künstler Gerhard Richter will damit ein intensiveres Zusammenspiel der Farben hervorrufen.

Dome of Light. Die U-Bahnstation im taiwanesischen Kaohsiung umspannt 30 Meter. Für die „Kuppel des Lichts“ wurden Glassorten bemalt, geätzt und mit Airbrush-Technik bearbeitet.

Chronik

In vierter Generation

1866: Wilhelm Derix (1837 bis 1919) gründet die Glasmanufaktur Derix in Goch am Niederrhein.

1908: Papst Pius X. ernennt das Unternehmen zur „Päpstlichen Hofglasmalerei“.

1945: Die Firma Derix baut eine Renovierungswerkstatt in der Kölner Dombauhütte auf.

1946: In Rottweil eröffnet die Familie einen Glasmalerei-Betrieb.

1952: Eine Zweigstelle wird in Wiesbaden etabliert.

1974: Der Betrieb zieht nach Taunusstein-Wehen um, wo die Glasstudios Derix bis heute ansässig sind.

1991: Zum 125-jährigen Firmenjubiläum wird in Taunusstein-Wehen eine Glasgalerie gebaut, in der über 100 wechselnde Exponate abgeschlossener Projekte aus aller Welt zu sehen sind.

Heute: In der vierten Generation liegt die Geschäftsführung bei Wilhelm Derix (65) und seiner Schwester Ursula Rothfuss (58). Unterstützt werden sie von seiner Tochter Barbara Derix (42). Derzeit beschäftigt das Unternehmen etwa 65 Mitarbeiter.

Kontakt: Derix Glasstudios Platter Straße 94 65232 Taunusstein-Wehen www.derix.com

Zitiert

Göttliches Licht

„Glas ist als Andachtsbild ideal. Da kommt das göttliche Licht durch, das springt einem förmlich auf die Netzhaut. Das Mysterium des Glaubens kann man so sichtbar machen. Im Glas steckt ein Hauch von Glaubensverkündung.“

Wilhelm Derix

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