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Hoffnung folgt der Trostlosigkeit
10.10.10

Hoffnung folgt der Trostlosigkeit

Franziskaner segnen Kreuzweg am ehemaligen Todesstreifen am Point Alpha

 

Ausgabe 41 vom 10. Oktober

Ein Franziskaner segnet eine Kreuzwegstation: Der Bildhauer Dr. Ulrich Barnickel (rechts). Foto: Manuela Henkel

Geisa (mh). „Die ganze Grenze war ein einziger Kreuzweg“, stellte Pfarrer Jan Karol Kozaczka vor vier Jahren bei einer Bürgerversammlung im Geisaer Kulturhaus fest. Es war dieser Gedanke des inzwischen gestorbenen Priesters, der den ausschlaggebenden Impuls zur Errichtung des fertiggestellten „Weg der Hoffnung“ gab.

Zu einer ersten Begehung und Eröffnung des vollendeten Kreuzwegs waren zum Franziskusfest zahlreiche Katholiken aus der Region, aber auch interessierte Besucher der Gedenkstätte Point Alpha an den ehemaligen Grenzstreifen zwischen Rasdorf und Geisa gekommen. Franziskanerbrüder aus Fulda und vom Hülfensberg im Eichsfeld in Thüringen gestalteten die Begehung und segneten die einzelnen Stationen.

Kreuzweg: Franziskaner entwickelten Volksandacht

Der Brauch des „Kreuzweg-Gehens“ geht auf die Franziskaner zurück, die im 14. Jahrhundert den im Heiligen Land üblichen Pilgerbrauch zu einer Art Volksandacht entwickelten. „20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs stehen hier auf dem ehemaligen Todesstreifen 14 Skulpturen in Tradition des biblischen Kreuzwegs“, sagte Dr. Wolfgang Hamberger. „In einer Zone der Trostlosigkeit wurde ein Werk geschaffen, das Hoffnung geben soll“, so der Vorsitzende der Point Alpha Stiftung. Der Kreuzweg ist ein „Weg der Hoffnung“ und will persönliche Erinnerungen an diktaturtypische Situationen, aber auch grundsätzliche Fragen wie Glaube, Mut und Hoffnung in das Bewusstsein der Menschen rufen und zugleich an die wichtige Rolle der Kirchen bei der friedlichen Revolution erinnern.

Hamberger, langjähriger Fuldaer Oberbürgermeister, dankte besonders Stiftungsratsmitglied Berthold Dücker für sein „herausragendes Engagement“ bei der Umsetzung des Projekts sowie dem Bildhauer Ulrich Barnickel (Schlitz). „Es ist bewundernswert, in welch kurzer Zeit Sie diese hohen Skulpturen aus Stahl erschaffen haben“, würdigte Hamberger das künstlerische Werk.

„Die Pfarrgemeinde Geisa suchte schon immer einen geeigneten Platz für einen Kreuzweg im Freien“, berichtete Stadtpfarrer Uwe Hahner. „Mit der Idee von Berthold Dücker, einen Kreuzweg am ehemaligen Todesstreifen aufzustellen, haben sich zwei Interessenlagen getroffen“, so der Geistliche. Als sie, gemeinsam mit dem Geisaer Bürgermeister, am Plattenweg nahe von Point Alpha standen, sei ihnen sofort bewusst gewesen: „Hier ist die richtige Stelle.“ Von hier bietet sich ein guter Blick in das thüringische Ulstertal und in die hessische Rhön. „Auch die Suche nach einem geeigneten Künstler war schnell erfolgreich“, erinnert sich Pfarrer Hahner. Dr. Ulrich Barnickel stammt aus der ehemaligen DDR und wurde, damals in Weimar ansässig, aus der DDR ausgewiesen.

Material Stahl erinnert an den Eisernen Vorhang

„Das fertige Kreuzwegprojekt landete erst einmal in der Schublade, weil kein Geld da war“, blickte Hahner zurück. Doch unerwartet sei Geld für ein anderes, verworfenes Projekt frei geworden. Mit großem Einsatz schaffte es Barnickel innerhalb von zwei Jahren, passend zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung, die etwa vier Meter hohen Skulpturen anzufertigen. „Das Material Stahl steht in Anlehnung an den Eisernen Vorhang“, erklärte der Künstler bei der Segnung.

„Es ist eine Tradition der Kirche, dass Franziskaner Kreuzwege segnen“, erläuterte Guardian Pater Heribert Arens vom Hülfensberg. „Wir freuen uns, dass wir mit Ihnen das erste Mal diese Stationen gemeinsam beten und gehen dürfen.“ Den Kreuzweg auf dem „Weg der Hoffnung“ am ehemaligen Todesstreifen gemeinsam zu beten, hat für die Franziskaner eine besondere Bedeutung: Das Kloster Hülfensberg lag zu DDR-Zeiten im Sperrgebiet im „500-Meter- Schutzstreifen“. Wallfahrten und Prozessionen waren nur sehr eingeschränkt und nur unter Teilnahme der Menschen möglich, die im Sperrgebiet lebten und sich unter der Gefahr von Repression zur Kirche bekannten. Heute ist der Hülfensberg wieder ein Wallfahrtsort für Menschen aus allen Teilen Deutschlands.

Angeführt von einem Kreuz, das aus ehemaligem Grenzzaun angefertigt wurde, folgten die Gläubigen den Franziskanern, um vor den Stationen im gemeinsamen Gebet innezuhalten.

Zur Sache

Geduld nötig – auch 20 Jahre nach der Einheit

Am Tag der Deutschen Einheit haben in der Gedenkstätte Point Alpha zwei evangelische Bischöfe einen Gottesdienst gefeiert. Bischöfin Ilse Junkermann von der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands (Magdeburg), und der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein (Kassel), hielten eine Dialogpredigt.

Die Kirchgemeinden in der DDR bezeichnete die Bischöfin als Zuflucht für viele Menschen. „Hier musst du nicht lügen, hier musst du Dich nicht verbiegen. Hier kannst du sagen, was du denkst“, sagte Junkermann. „Offen sprechen können, ist schon ein Trost.“ Sie sprach von den Erfahrungen, die ihr Menschen aus der ehemaligen DDR geschildert hätten und die bis heute deren Leben prägten, so Junkermann, die sich als „eine aus dem Westen Zugezogene“ bezeichnete.

„Die DDR war ein Unrechtsstaat“, ist sich die Bischöfin sicher. Trotzdem haben viele Christen bewusst gesagt: „Wir bleiben hier! Bei uns sollen Menschen Trost finden, die sich nicht anpassen wollen.“ Auch nach 1990 haben sich wieder viele bewusst dazu entschieden: „Wir bleiben hier! Wir gestalten die Gesellschaft hier mit. Jede Region in unserem Land braucht Menschen, die sich mit brennender Geduld für mehr Gerechtigkeit einsetzen“, stellte Junkermann fest. „Die Einheit in Deutschland gibt den Menschen die Aufgabe, sich für die weltweite Einheit mit einzusetzen. Aber dazu brauchen wir auch 20 Jahre nach der Einheit Geduld“, so die Bischöfin. (as)

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