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Bischof bittet Opfer um Vergebung
04.04.10

Bischof bittet Opfer um Vergebung

Sexueller Missbrauch Minderjähriger: Bischof, Beauftragte und Personaldezernent informieren

 

Ausgabe 14 vom 4. April

Unter dem Kreuz: Pressekonferenz im Sitzungssaal des Generalvikariats. Foto: Dietmar Kuschel

Fulda (dk). Zwei Veranstaltungen befassen sich an einem Tag mit einem Thema, das niemanden kalt lässt. Die Dechantenkonferenz im Priesterseminar und eine Pressekonferenz im Generalvikariat sprechen über die Missbrauchsfälle im Bistum. Der Bischof äußert „tiefstes Erschrecken und Entsetzen“.

Die sexuellen Missbräuche haben eine „Lawine ausgelöst“, bekennt die Bistumsbeauftragte für Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch, Anne Schmitz, vor den Mitgliedern der Dechantenkonferenz. Auswirkungen dieser Lawine lassen sich im überfüllten Sitzungssaal des Generalvikariats bei der Pressekonferenz wahrnehmen. Bischof Heinz Josef Algermissen, Personaldezernent Monsignore Christof Steinert und die Missbrauchsbeauftragte haben vorzeitig die Dechantenkonferenz verlassen, um sich den Fragen von etwa 30 Journalisten zu stellen, die für Zeitungen, Zeitschriften, Presseagenturen, Hörfunk und Fernsehen sowie Internet berichten.

Die Journalisten interessiert, wie viel Übergriffe es von Priestern oder kirchlichen Mitarbeitern im Bistum gegeben habe (siehe „Zur Sache“), wann die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird und ob Opfer therapeutisch begleitet werden. Und sie wollen wissen: Werden pädophile Priester in der Seelsorge eingesetzt?

Bei der Aussprache in der Dechantenkonferenz geht es auch um die Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass erst nach Jahrzehnten die Straftaten von Priestern und kirchlichen Mitarbeitern öffentlich werden. Ein Dechant meint: „Wir sollten bekennen, dass wir in den 1980er Jahren das Problem unterschätzt haben.“

Diese Wertung bekräftigt Generalvikar Gerhard Stanke. „Die Opfer wurden früher nicht wahrgenommen. Ihnen wurde nicht geglaubt.“ Stanke weiter: „Doch bei der strafrechtlichen Aufarbeitung ist es auch heute nicht immer problemlos, wenn ein Täter bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wird. Es ist schon vorgekommen, dass ein Täter mangels ausreichender Beweise freigesprochen und so das Opfer erneut Opfer wird.“

Anne Schmitz hebt hervor, dass von Seiten des Bistums jedem begründeten Verdacht nachgegangen wird. Vorrang bei dem Bemühen um Aufklärung habe stets das Opfer. Es gebe Opfer, erläutert Schmitz, die sich Vertretern des Bistums offenbaren, von ihnen aber fordern: „Bitte geben Sie meine Informationen nicht an das Gericht.“ Dieser Wunsch werde akzeptiert, so Schmitz. Viele der Opfer, die von Priestern oder anderen kirchlichen Mitarbeitern missbraucht worden seien, wollten „endlich im Gespräch mit kirchlichen Vertretern ihre oft jahrzehntelang verdrängten Erlebnisse klären“. Diese Nacharbeit wühle die Opfer jedoch wieder auf.

Wie sollen Priester mit Kindern umgehen?

Wie Priester mit Kindern, etwa im Kindergarten, umgehen sollten, wird in der Dechantenkonferenz gefragt. Ein Dechant: „Wenn mir in der Kindertagesstätte ein Kind übermütig auf den Schoß springt, wie soll ich mich da verhalten?“ Domkapitular Lothar Wächter regt in der Diskussion an, Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitern „schriftliche Hilfestellungen“ anzubieten, um ihnen den seelsorglichen Dienst zu erleichtern.

Im Kreise der Dechanten und ihrer Stellvertreter äußert der Bischof angesichts der Vergehen von Priestern und anderer kirchlicher Mitarbeiter „Ekel und Abscheu“. Die Abgründe, die sich aufgetan hätten, erschreckten ihn „zutiefst“. Dies bekräftigt er vor den Journalisten und er bittet für das Bistum die Missbrauchsopfer um Vergebung. Aufgabe der Täter sei, die Opfer um Verzeihung zu bitten. Nach der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle werde es eine demütigere Kirche geben, so Algermissen. Die Not der Missbrauchsopfer sei von der Kirche nicht genügend beachtet worden. Vielmehr habe man versucht, die Täter zu Einsicht und Umkehr zu bringen. Die Methode „Schwamm drüber“ habe man jedoch nicht verfolgt, vielmehr wollte man den Schuldiggewordenen einen neuen Anfang ermöglichen. Aus heutiger Sicht sei dies eine „große Problematik“, so Algermissen. „Da haben wir gelernt.“ Den Tätern werde gesagt: „Wenn Sie nicht zum Staatsanwalt gehen, machen wir das.“

Auf eine Journalistenfrage „Wer übernimmt die Kosten für die Therapie von Opfern?“ antwortet Schmitz: Das Bistum habe bereits Kosten für erforderliche Therapien übernommen. Seit 2001 seien drei Therapiemaßnahmen durchgeführt worden. Für die Opfer werde eine Therapie so lange gezahlt, wie diese nötig sei.

Bei den Dechanten hatte Bischof Algermissen auf die Erklärung der Bischofskonferenz verwiesen, die sie „aus Anlass der Aufdeckung von Fällen sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen im kirchlichen Bereich“ Ende Februar abgegeben hat. In dem Schreiben wird „den Opfern und ihren Angehörigen eine menschliche, therapeutische und seelsorgliche Hilfe“ zugesagt, die „individuell angepasst ist“.

Keine pädophilen Priester in der Seelsorge

Wie kann verloren gegangenes Vertrauen wieder gewonnen werden? Schmitz hat die Erfahrung gemacht, dass die Opfer mit Vertretern der Kirche sprechen wollen. „Das kann schon vertrauensbildend sein.“ Die Kirche lebe vom Vertrauen, sagt der Bischof. Zerstörtes Vertrauen zerstöre auch das Bild von Gott.

Personaldezernent Monsignore Christof Steinert versichert in der Pressekonferenz, dass das Bistum keine pädophilen Priester in der Seelsorge einsetzt. Um festzustellen, ob ein Täter pädophil sei, werden deutschlandweit tätig anerkannte Fachleute mit dem Gutachten beauftragt. In der Erklärung der Bischofskonferenz heißt es dazu: „Wir holen vor der Entscheidung über die berufliche Zukunft eines Täters die Stellungnahme anerkannter Spezialgutachter ein und werden diese Begutachtung zur Pflicht machen.“

Der Bischof bittet darum, Priester nicht unter Generalverdacht zu stellen. „Die große Mehrheit der Priester, 99 Prozent, verrichtet einen treuen Dienst.“ Die Pfarrgemeinden ruft er auf, sich trotz der Verunsicherungen nicht „erschüttern“ zu lassen. Missbrauchsopfer, die den Schritt in die Öffentlichkeit noch nicht gewagt haben, bittet der Bischof, sich zu melden. Die Bistumsbeauftragte Anne Schmitz ist telefonisch oder per E-Mail zu erreichen.

Telefon 06 61/ 87- 4 55
E-Mail: anne.schmitz@bistum-fulda.de

Hinweis

Rechtsanwälte beauftragt

Das Bistum hat die Fuldaer Anwaltskanzlei Karras & Kollegen als weitere, unabhängige Anlaufstelle und Rechtsbeistand bei Verdachtsfällen von sexuellem Missbrauch beauftragt.

Karras & Kollegen Rechtsanwälte, Königstraße 15 b 36037 Fulda Telefon 06 61 / 97 66 - 0 Fax 06 61 / 97 66 - 34, E-Mail: Anwaltskanzlei@kanzlei-karras.de

Zur Sache

Aktuelle Zahlen, Aktualisierte Altfälle, Altfälle, verstorbene Priester

Wie viele Übergriffe hat es von Priestern oder kirchlichen Mitarbeitern im Bistum gegeben? Das Bistum gab am 25. März dazu folgende Informationen.

Aktuelle Zahlen

Vor den Staatsanwaltschaften sind vier Verfahren gemeldet. Drei Verfahren beziehen sich auf Vorwürfe aus den 90er Jahren und betreffen Priester, ein Verfahren aus den 70er Jahren betrifft einen ehemaligen Laienmitarbeiter. Aktuell gibt es einen weiteren Verdachtsfall eines Laienmitarbeiters.

Aktualisierte Altfälle

Die Diözese ist mit zwei Altfällen konfrontiert, die von den zuständigen Amtsgerichten geahndet und gerichtlich abgeschlossen waren, zu denen jetzt aber neue Vorwürfe hinzukamen, die ebenfalls weit zurückliegen.

Altfälle

In zwei Fällen leben Priester im Bistum Fulda, denen „sexuelle Beleidigung“ vorgeworfen wurde. Diese Vorwürfe wurden gerichtlich geklärt. Ein Priester lebt schwer erkrankt in einem Altenheim, der andere unterzog sich einer Therapie und hernach einem Gutachten von Professor Pfäffl in (Ulm). Auf Basis dieses Gutachtens ist der Priester unter Auflagen und unter Information des Dechanten und dem Einverständnis der örtlichen Gremien teilweise eingesetzt.

Verstorbene Priester

Das Bistum hat Kenntnis von vier Priestern, die lange verstorben sind und die zwischen 1940 und 1980 sich sexueller Vergehen schuldig gemacht haben.

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